Sonderausstellung: Ludwig Meidner

Ludwig Meidner - "Leiden der Juden in Polen"

Ludwig Meidner, Menschenzug, 1942-45
Ludwig Meidner, Menschenzug; aus dem Zyklus "Leiden der Juden in Polen" oder"Massacres in Poland", 1942-45, Kohle, 56,6 x 74,8 cm
Foto: Herbert Fischer, © Ludwig Meidner-Archiv, Jüdisches Museum der Stadt Frankfurt am Main, Inv. Nr. JMF1994-0007 II-1028
Sonderausstellung: Ludwig Meidner

Ludwig Meidner - "Leiden der Juden in Polen"

… und da verfolgte ich, von 1942 ab, mit fassungslosem Entsetzen die Nachrichten von der erbarmungslosen Ausrottung des jüdischen Volkes durch die Deutschen ...

Ludwig Meidner, Hinweis auf mich selbst., 1945 (?)


Ende 1942, also rund ein Jahr nach seiner Entlassung aus der Internierung, begann Meidner einen Zyklus von Aquarellen und Kohlezeichnungen, der die systematische Ermordung der Juden in Zuge der von den Nationalsozialisten so genannten "Endlösung der Judenfrage" thematisierte. An Freunde in Südamerika schrieb er:

"Seit Wochen arbeite ich an einem Cyclus aquarellierter Zeichnungen 'Leiden der Juden in Polen'. So, auf solche Weise bin ich genötigt, immerfort, immerfort an das Schicksal meiner Brüder zu denken. Diese Blätter sollen anschaulich sein, deutlich, ohne Beschönigung, dennoch nicht sensationell oder übertrieben krass. In dem rechten Masz gemacht. Vier dieser Compositionen sind fertig, etwa zwanzig sollen es noch werden. Sie fassen die Tragik ganz realistisch. Mystik ist diesen Arbeiten fern." (Ludwig Meidner, Brief an Hilde und Walter Rosenbaum vom 13./20. Januar 1943, Institut Mathildenhöhe, Städtische Kunstsammlung Darmstadt, aufbewahrt im Stadtarchiv Darmstadt, ST 45 Meidner 1184)

Der Zyklus, den Meidner zunächst "Leiden der Juden in Polen" und später "Massacres in Poland" nennt, umfasst nach unterschiedlichen Zählungen des Künstlers 42 beziehungsweise 45 Blätter; später spricht Meidner sogar von zwei Zyklen zum Thema mit insgesamt 50 Blättern. Der Zyklus ist keine homogene Bildfolge mit einer einheitlichen Struktur und einer eindeutigen Reihenfolge. Es handelt sich vielmehr um Darstellungen in unterschiedlichen Techniken, die sich dem Thema des Völkermords auf unterschiedliche Weise näheren. Neben Bildern, die die Verfolgung eher indirekt zeigen – etwa in den Gruppen von Klagenden oder Flüchtlingen – gibt es auch sehr drastische Darstellungen – beispielsweise von Massenerschießungen oder Gaskammern.

Weiterführende Literatur:
Shulamith Behr, Ludwig Meidner: Exil, Kreativität und Holocaustbewusstsein, in: Horcher in die Zeit. Ludwig Meidner im Exil (Ausst. Kat. Museum Giersch der Goethe-Universität, Frankfurt am Main), München 2016, S. 148-161.
Kathrin Hoffmann-Curtius, Bilder zum Judenmord. Eine kommentierte Sichtung der Malerei und Zeichenkunst in Deutschland von 1945 bis zum Auschwitz-Prozess, Marburg 2014.
Heuberger, Georg (Hg.), Ludwig und Else Meidner (Ausst. Kat. Jüdisches Museum Frankfurt, Ben Uri Gallery, London), Frankfurt a. M. 2002.
Tobias G. Natter (Hg.), Im Nacken das Sternemeer. Ludwig Meidner – Ein deutscher Expressionist, (Ausst. Kat. Jüdisches Museum Wien) Wien, 2001.

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