Prolog
Prolog
Es ist etwas paradox, daß meine „persönliche Geschichte“ sich vor allem mit Politik befassen wird, obwohl die Politik keinesfalls mein Hauptinteresse ist. Ich habe nie irgendeiner politischen Partei angehört, noch habe ich mich je um die spitzfindigen Argumente und zwielichtigen Intrigen von Berufspolitikern gekümmert. Meine Sicht der entscheidenden Themen der modernen Gesellschaft ist eher emotional als intellektuell – nicht dogmatisch, sondern menschlich. Ich bin weder eine Partisanin, noch würde ich zum Kreuzfahrer taugen. Meine politischen Ansichten und Handlungen sind stets mehr von meinen persönlichen Erfahrungen und Impulsen bestimmt worden. Das einzige „Prinzip“, an das ich mich halte, ist mein hartnäckiger Glaube an einige grundlegende moralische Ideale – Wahrheit, Ehre, Anstand, Freiheit, Toleranz.
Erika Mann, Ausgerechnet Ich, 1943
„Es ist also ein Mädchen“ – schrieb Thomas Mann nach der Geburt seines ersten Kindes am 9. November 1905 und ergänzte, einen Sohn hätte er als „poesievoller ... als Fortsetzung und Wiederbeginn“ der eigenen Person empfinden können. Die väterliche Vision wird in den kommenden Jahren gründlich korrigiert werden. Die Kabarettistin, Kinderbuchautorin, Kriegsreporterin und politische Publizistin Erika Mann gewann eine Vorzugsstellung beim Vater. Anders als der Bruder Klaus stand das „kühne, herrliche Kind“ niemals im Schatten des großen Schriftstellers und faszinierte ihn mit seinem schauspielerischen Talent. Mit ihrem Kabarett rührte Erika Mann den Vater zu Tränen und trieb ihn in heftige politische Gewissenskonflikte.
Und doch wird in dieser Ausstellung eine andere, es wird Erika Manns eigene Geschichte erzählt. Sie ist eingebettet ins große Zeitgeschehen des 20. Jahrhunderts, sie handelt von Politik, spielt gelegentlich in der Familie, illustriert das leidenschaftliche Engagement einer Schauspielerin und Journalistin von hoher Aktualität.