Exil

Wann geht ein Mensch ins Exil? Muss man erst in Lebensgefahr sein, um als Exilant anerkannt zu werden? Es gibt vielfältige Gründe sein Land zu verlassen und diese lassen sich nicht allein auf politische Verfolgung beschränken. Lange wurde zwischen Exil und Emigration unterschieden. Dabei wurde Exil als politische Kategorie verstanden, als ein aufgrund von Unterdrückung, Verfolgung und Lebensgefahr ins Ausland verlagerter Lebensort, ein vorübergehender Zustand. Emigration dagegen galt als unpolitische, überwiegend jüdische Auswanderung, als nahezu freiwillige Auswanderung.

Aber diese Kategorien lassen sich so nicht halten. Weder Exil noch Emigration erfolgen freiwillig, ein lediglich vorübergehender Ortswechsel ist auch das Exil nicht. Diese Unterscheidung zwischen Exil und Emigration wurde daher auch in der Forschung aufgegeben. Eindeutige Abgrenzungen zwischen Exilanten, Emigranten und Flüchtlingen lassen sich also nicht ziehen und werden der Vielschichtigkeit der Situation nicht gerecht.
Wovon hängt es ab, wie Exil und Migration verlaufen?
Die Zufluchtsländer und deren Offenheit sind von entscheidender Bedeutung. Häufig sind sie aber nicht aktiv gewählt, sondern letzte Rettung. Auch die Erlebnisse vor der Flucht sind entscheidend: Musste Gewalt erlitten werden? War die Rettung der Familie noch möglich? Erfolgte die Flucht adhoc oder konnte sie geplant und vorbereitet werden? Bildungshintergrund, sprachliche Fähigkeiten, die persönliche Beschaffenheit und nicht zuletzt der Zufall entscheiden mit darüber, ob im Exil ein zum eigenen Selbstverständnis passendes Leben gelingen kann.

„Die Folgen der Migration sind vielfältig: Migration verändert die Kultur derer, die auswandern, die Kultur der Aufnahmeländer und im Endeffekt auch die Kultur der Ursprungsländer“, beschreibt Daniel Azuélos (In: Alltag im Exil, S. 10.) die komplexen Wechselwirkungen. Beschreibung und Erforschung von Exil und Emigration geschehen heute mit Blick auf die Ursachen und Wirkungen von Migration weltweit. Historische und aktuelle Exile werden in Beziehung gebracht, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Blick genommen und es wird danach gefragt, wie die globale Erfahrung der Migration nationale Zuschnitte und Erinnerungskulturen verändert.

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 flohen allein aus dem deutschsprachigen Raum, der durch die Annexion Österreichs und Teilen der Tschechoslowakei ausgedehnt worden war, ungefähr eine halbe Million Menschen, darunter etwa 10.000 Künstler. Die Beschäftigung mit Exil im deutschsprachigen Raum ist seitdem untrennbar damit verbunden.
Die Rolle Deutschlands hat sich nach 1945 jedoch verändert: Auch Deutschland – sowohl die Bundesrepublik als auch die DDR – war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Aufnahmeland für Verfolgte. In Deutschland ist das Asylrecht fest im Grundgesetz verankert, erfuhr jedoch 1993 empfindliche Einschränkungen.
Von existenzieller Bedeutung für Flüchtlinge ist die politische und rechtliche Anerkennung. Eine aktive Teilhabe an kulturellen und gesellschaftlichen Prozessen des Aufnahmelands setzt einen legalen Status voraus.