Orte und Länder

Fotografie: Ellen Auerbach
Bahnübergang in Tel Aviv 1934, Fotografie: Ellen Auerbach
Akademie der Künste, Berlin, Kunstsammlung: Ellen Auerbach, Nr. 156, © VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Orte und Länder

Es gibt fast kein Land auf der Welt, in das deutsche Schriftsteller nicht verschlagen wurden. Von Frankreich bis zur Sowjetunion, von der Schweiz bis China, von Finnland bis Südafrika, von Brasilien bis Island, über den Globus zerstreut, versuchten sie überall, ihre Arbeiten und Gedanken zu verbreiten [...].

Wieland Herzfelde in einem Vortrag, 1949


Oft müssen Künstler ihr Heimatland verlassen, weil sie den Machthabern gefährlich erscheinen oder weil sie zu einer verfolgten Gruppe gehören. Doch wohin gehen, wenn es im Ursprungsland nicht mehr sicher ist? Möglichst weit weg, um aus sicherem Abstand weiterzuarbeiten? Oder in einen Nachbarstaat, um nicht den Kontakt zu Kollegen, Publikum und beruflichen Netzwerken zu verlieren? Wie wirkt sich der Ortswechsel auf das künstlerische Schaffen aus?

Die meisten Künstler, die unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 auswanderten, waren politische Gegner der Machthaber und entschieden sich für das Exil in europäischen Nachbarländern. Sie wollten die Entwicklung in Deutschland abwarten und das nationalsozialistische Regime aus dem Ausland bekämpfen. Vor allem die Tschechoslowakei und Frankreich boten den Exilanten bis 1938 beziehungsweise 1940 immer noch vergleichsweise gute Zufluchtsbedingungen – bis die aggressive deutsche Expansion und der Krieg die Geflohenen einholten. In der von Österreich-Ungarn geprägten Tschechoslowakei konnten Schriftsteller und Dramatiker ein deutschsprachiges Publikum erreichen. Über Frankreich flohen etwa ein Fünftel der deutschen Emigranten, darunter auch viele Künstler. Sie konnten sich, zum Beispiel in Paris und Prag, mit Kollegen austauschen und entwickelten Treffpunkte und gemeinsame Initiativen. Viele hatten jedoch keine legale Möglichkeit zu arbeiten und lebten unter schwierigsten Bedingungen und häufig in existenzieller Not. 

Mit der Ausweitung des nationalsozialistischen Machtbereichs, der sich immer weiter verschärfenden Verfolgung und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs stieg für die Exilierten in Europa die Gefahr, den Nationalsozialisten wieder in die Hände zu fallen. Im Juli 1938 fand auf Anregung der amerikanischen Regierung im französischen Evian eine internationale Konferenz statt, um das Flüchtlingsproblem zu besprechen. Die Konferenz blieb fast ohne Wirkung. Die beteiligten Länder sahen sich außer Stande, den Flüchtlingen Zuflucht zu bieten. Trotz der restriktiven Einreisebestimmungen flohen viele nach Übersee, vor allem in die USA und nach Südamerika. Wichtige Aufnahmeländer waren auch Palästina und Großbritannien. Nach Shanghai war die Einreise bis Ende 1941 ohne Visum möglich. In zahlreichen Ländern entstanden regelrechte Zentren des Exils, in denen politische und künstlerische Zusammenschlüsse, aber auch Cafés, Clubs, Theater und koordinierte Hilfeleistungen die neue Lebenssituation erleichterten.

Wohin Künstler ins Exil fliehen können, hing damals wie heute von vielen Faktoren ab: Werden Einreisegenehmigungen erteilt? Welche Möglichkeiten gibt es, das Exilland überhaupt zu erreichen? Oft verschlägt der pure Zufall die Künstler in ihr Exilland.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Deutschland selbst zum Zufluchtsort. Viele verfolgte Künstler aus dem Ausland suchten in der Bundesrepublik und in der Deutschen Demokratischen Republik Schutz. Organisationen wie beispielsweise P.E.N. (poets, essayists, novelists) unterstützen auch heute Schriftsteller mit Stipendien in demokratischen und deshalb sicheren Ländern. Einen Sonderfall stellt die Ausreise von Kunstschaffenden aus der DDR dar: In Westdeutschland fanden viele der Flüchtlinge die gleiche Sprache, ein ähnliches kulturelles Umfeld und oft ein interessiertes Publikum vor.

Weiterführende Literatur:

Länderartikel in: Krohn, Claus-Dieter u.a. (Hg.): Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933-1945. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1998

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