Richard Hülsenbeck, Manuskript der "New Yorker Phantasie", 1959

Richard Hülsenbeck: Eine New Yorker Phantasie
DLA Marbach, © Herbert Kapfer

Richard Hülsenbeck, Manuskript der "New Yorker Phantasie", 1959

Junges Museum

Huelsenbeck
 
New York ist immer das, wovon man träumt, wovon man gerade besessen ist. Nichts an der Stadt ist wohnlich oder behaglich, es sei denn man fühlt sich darin wohl wie ein Stegosaurier zwischen Urzeitbüschen, Schachtelhalmen und den spitzen, stacheligen Bäumen und Bergspitzen.
New York ist eine Stadt der Träume. Wer hier ankommt, hat einen Traum und wer dann hier bleibt, hält sich an seine Träume. Manchmal auch nur, weil es sonst nichts gibt, woran man sich halten kann.
 
Ah, jetzt kommt meine Eiscreme. Slurpees bei Bupees. Mit Schokosoße. Wo waren wir? Ach, bei Erinnerung. Dr. Huelsenbecks elementare Heilungsmethode. New York ist am Abend wie ein Wiesel. Rastlos schnuppern die Geschlechter an der frischen Luft, führen ihre Träume aus, wie frühere Poeten Hummer. Ich zieh mich dauernd um. Und dann geh ich oft raus. Die Leute pfeifen auf den Straßen und sehen sich an, als würden sie sich alle am liebsten sagen wollen, ist es nicht unglaublich, dann: wir sind hier, in New York! Hier in New York. Neuyork.
 
Und dabei hat die Stadt so oft ihren Namen geändert, dass man an Fluch oder Flucht denken könnte. Manna-hatta. Nieuw Amsterdam. Großer Apfel.
Als ich hier ankam, hieß ich Huelsenbeck. Als ich blieb, hieß ich Hulbeck, Charles R. Namen sind starre Designatoren. Sie zeigen an, wer wir sind, nicht, was wir sind. Manchmal denke, ich wir hätten nur Buchstaben gebraucht, oder Zahlen ohne Bedeutung, und den Rhythmus. Das Stampfen der Stadt und des eigenen Herzens, wenn wir wirklich Dichter wären. Oder Stegosaurier.
 
Wir sind auch nur Kreaturen unserer Epoche. Na und?

von Matthias Göritz