206 West, 95 street V. C2, N.Y.C. 27.9. 41
Recd. 7.10.
Meine Lieben,
Am 13. Sept. kam ich in Newyork an, nach fünfwöchentlicher Fahrt auf dem in jeder Beziehung elenden Frachter "Navemar", der von einem spanisch-portugiesisch- und leider evtl. jüdischen Gaunerkonsortium geschartert war und was Raum, Licht, Luft, Verpflegung, Toiletten anlangt, wohl das erbärmlichste Vorstellbare war. Ich mußte auf das dreckige Kloakenschiff einen Monat in Spanien (Cadiz, Sevilla) warten. Schrieb euch wiederholt von dort u. v. unterwegs, bekam aber seit Zürich keine Nachricht mehr. In Lissabon durften wir nicht an Land u. also auch keine poste restante-Briefe beheben. Ich verlor glücklicherweise unterwegs 5 Kilo u. die hier kräftige Verpflegung, vielleicht auch ein mir für 2-4 Wochen möglicherweise offenstehendes Erholungsheim wird mit meiner Schlaflosigkeit u. Nervosität, gesammelt in einem unvorstellbaren Zwischendeck, aufräumen. Wie es mir hier ergehen wird, ob ich viel oder gar nichts verdienen werde, ist noch nicht übersehbar. Aber da del Vayo Herausgeber einer neuen Monatsschrift "Free World" u. Mit[-Herausgeber einer] Wochenschrift "Nation" ist, wird sich wohl dort oder via Eastman, wenn der wieder hier ist, oder via Knopf wohl etwas finden lassen. Inzwischen schmeckt mir die Freiheit nicht schlecht, nachdem mir in der Schweiz jede literarische, journalistische u. politische Tätigkeit verboten gewesen. Vielleicht kann ich hier einiges über dieses Land u. Spanien publizieren, eventuell Vorträge über europ. Probleme halten, wie es mancherorts noch in deutscher Sprache möglich ist. Ich hoffe es geht euch dreien gut? Ich hörte, man könne von hier Liebesgabenpakete bis zu 5 engl. Pfund (wovon maximal 2 Pfund von einer einzigen Ware) senden. Würden Euch Tee, Kaffee, Cacao, Chokolade, Butter, Öl, getrocknete Trauben (Rosinen) [ab hier am linken Blattrand] u. dito Aprikosen interessieren oder was sonst? Mit herzlichen Wünschen u. Grüßen für Euch alle [ab hier am rechten Blattrand] Albert
Susanne, 18 1/2 jährige Tochter von Rudi E. war auch auf dem Schiff.
[Noch auf den Rändern der Vorderseite:]
Max schweigt sich aus. Fritz bestätigt, was er kriegte u. was er nicht mehr will.