Volksfront
Die Deutschen aber, die sich draußen versammeln, haben die Aufgabe übernommen, die Kräfte der Opposition zu einigen und sie gemeinsamer Handlungen fähig zu machen.
Heinrich Mann, Seid Einig!, AIZ (Arbeiter-Illustrierte Zeitung) vom 29. März 1936
„Volksfront“ war von 1932 bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs eine Losung zur Sammlung der Gegner des Nationalsozialismus. In der Reichspräsidenten-Wahlkampagne 1932 umfasste sie Parteien von den Monarchisten bis zur SPD; zur Volksabstimmung im Saargebiet im Januar 1935 Sozialdemokratische Partei des Saarlands, KPD, linke Kleinparteien und Splitter der Zentrumspartei.
Ab Frühsommer 1935 diskutierten Exilierte in Paris, vornehmlich als Vertreter überparteilicher Organisationen wie dem Schutzverband deutscher Schriftsteller, eine Volksfront für die gesamtdeutsche Emigration, und publizierten die Mitteilungen der Deutschen Freiheitsbibliothek Stellungnahmen von Persönlichkeiten der politischen und kulturellen Emigration zu deren Aufgabe. Impulse gaben der Erste Internationale Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur in Paris; die Einigung der Sozialistischen, Kommunistischen und bürgerlichen Radikalsozialistischen Partei in Frankreich zum „Front populaire antifasciste“; der VII. Weltkongress der Komintern in Moskau, der die „Volksfront“ als Strategie weltweit propagierte. Auf der Konferenz der „deutschen Opposition“ am 2. Februar 1936 in Paris dominierten wieder weltanschauliche Parteiungen, der Ausschuss zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront konstituierte sich aus je drei Sozialdemokraten und Kommunisten und je zwei Vertretern der Sozialistischen Arbeiterpartei, der „Katholiken“ und des „Freiheitlichen Bürgertums“; überparteilicher Präsident wurde der Schriftsteller Heinrich Mann.
Die Konferenz startete eine Widerstand, Emigration und das Ausland verbindende Offensive gegen das NS-Regime. Die programmatischen Verlautbarungen des Ausschusses an das deutsche Volk vom 2. Februar 1936, 21. Dezember 1936 (unterzeichnet unter anderen von Arnold Zweig, Ernst Toller, Rudolf Olden, Egon Erwin Kisch, Rudolf Leonhard, Johannes R. Becher, Klaus Mann) und vom 10. April 1937 bauten auf den Menschen- und Bürgerrechten auf. Interne Spannungen infolge des Krieges in Spanien, der Moskauer Prozesse und der „Trotzkisten“-Hatz im Kontext des Strategiewechsels in Moskau lähmten den Volksfrontausschuss. Vermittlungsversuche etwa von Lion Feuchtwanger und Neubildungen unter anderen mit Thomas Mann scheiterten. Der „Stalin-Hitler“-Pakt setzte allen Bestrebungen der 1930er-Jahre ein Ende.
Im Zuge der Kriegsallianz lebte die Idee der Volksfront wieder auf. Nach Netzwerkarbeiten in den USA seit der Gründung des Nationalkomitees Freies Deutschland in Moskau im Juli 1943, trat Anfang Mai 1944 in New York der diesem entgegengesetzte Council for a Democratic Germany mit einer von Politikern, Wissenschaftlern und rund 20 Künstlern unterzeichneten Deklaration an die Öffentlichkeit. Die Richtlinien und Programme für einen konzentrischen Nachkriegs-Aufbau Deutschlands waren westlichem Demokratie-Verständnis verpflichtet. Initiierend und in Ausschüssen besonders aktiv waren Bertolt Brecht, Elisabeth Hauptmann, Berthold Viertel, Walther Victor, Günther Anders, Friderike M. Zweig, Alexander Granach, Oskar Homolka, Erwin Piscator und Max Liebl.
Text: Ursula Langkau-Alex, International Institute of Social History, Amsterdam
Weiterführende Literatur:
Klein, Wolfgang (Bearb.): Paris 1935. Erster Internationaler Schriftstellerkongreß zur Verteidigung der Kultur. Reden und Dokumente. Mit Materialien der Londoner Schriftstellerkonferenz 1936. Hg. von der Akademie der Wissenschaften der DDR – Zentralinstitut für Literaturgeschichte. Berlin 1982
Langkau-Alex, Ursula / Ruprecht, Thomas M. (Hg.): Was soll aus Deutschland werden? Der Council for a Democratic Germany in New York 1944-1945. Aufsätze und Dokumente (= Quellen und Studien zur Sozialgeschichte, hrsg. vom Internationalen Institut für Sozialgeschichte, Amsterdam, Bd. 15). Frankfurt am Main, New York 1995
Langkau-Alex, Ursula: Deutsche Volksfront 1932-1939. Zwischen Berlin, Paris, Prag und Moskau. 3 Bde. Berlin 2004/2005