Tschechoslowakei

Fotografie: Besetzung der Tschechoslowakei 1939
Deutsche Truppen bei der Besetzung der Stadt Brünn im März 1939
Bundesarchiv, Bild 183-2004-0813-500 / CC-BY-SA

Tschechoslowakei

Wir – das ganze verfolgte Deutschland, das intellektuelle, das freiheitliche, waren in dem einzigen Lande nicht nur teilnahmslos geduldet: Prag empfing uns als Verwandte. Wie nahe verwandt, sollte sich 1938 furchtbar erweisen.

Heinrich Mann in seinen Memoiren Ein Zeitalter wird besichtigt, 1946


Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 suchten viele politisch Verfolgte zunächst Zuflucht in der benachbarten Tschechoslowakei (ČSR). Da für Deutsche keine Visumspflicht bestand, war die Einreise vergleichsweise einfach. Bis 1938 flohen etwa 10.000 bis 20.000 Exilanten in die Tschechoslowakei, von ihnen etwa 5.000 Juden. Die Mehrheit der Flüchtlinge waren nicht-jüdische politisch Verfolgte.

Für Künstler, Journalisten und Schriftsteller bot die Tschechoslowakei ideale Bedingungen. Die Kultur war in weiten Teilen deutschsprachig geprägt durch die lange Zugehörigkeit zu Österreich-Ungarn. Zudem konnten in der ČSR Presseerzeugnisse und Publikationen ohne Zensur veröffentlicht werden. Neben Schriftstellern wie Heinrich und Thomas Mann oder Oskar Maria Graf siedelten sich in der Tschechoslowakei viele kommunistische Künstler und Schriftsteller an: Der Grafiker John Heartfield schuf dort seine Fotomontagen für die Arbeiter-Illustrierte-Zeitung. Im Malik-Verlag, geführt von Wieland Herzfelde, erschienen Veröffentlichungen kommunistischer Autoren. Auf diese Weise wurde die Tschechoslowakei ein Zentrum des Widerstands gegen das nationalsozialistische Deutschland. In Prag hatte nicht nur die Exil-SPD (SoPaDe) ihren Sitz, in der Tschechoslowakei wurden viele in Deutschland verbotene Zeitschriften, Zeitungen und Bücher produziert, die anschließend über die Grenze nach Deutschland geschmuggelt wurden.

Nach dem Münchner Abkommen 1938 und der deutschen Annexion der Sudetengebiete flohen die meisten Exilanten in andere, vor allem außereuropäische, Länder. Die letzten Flüchtlinge verließen das Land nach der deutschen Besetzung der tschechischen Gebiete im März 1939.

Weiterführende Literatur:
Becher, Peter. Drehscheibe Prag zur deutschen Emigration in der Tschechoslowakei 1933 - 1939. München: Oldenbourg, 1992.
Brinson, Charmian. Exile in and from Czechoslovakia during the 1930s and 1940s Amsterdam: Rodopi, 2009.
Krohn, Claus-Dieter (Hg.), Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933 - 1945. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1998.

Galerie