Theater
Die folgenreichste Wirkung des Exiltheaters war vielleicht die, dass es den exilierten Dramatikern, Regisseuren, Theatertheoretikern einen – oft nur imaginären – Bezugspunkt schuf, eine Realisierung ihrer Vorstellungen zumindest in Aussicht stellte (...). Ohne diesen Bezugspunkt wären viele bedeutende Dramen des Exils nicht entstanden, wichtige Reflexionen über das Theater gar nicht erst angestellt worden.
Peter Roessler und Konstantin Kaiser, Dramaturgie der Demokratie. Theaterkonzeptionen des österreichischen Exils, 1989
Einem Schauspieler fehlt ein grundlegendes Ausdrucksmittel, wenn er nicht in seiner Sprache arbeiten kann. Darum greift die Exilsituation bei Theaterschaffenden unmittelbar in die Arbeit ein. Dennoch fanden Schauspieler Betätigungsfelder: In vielen Ländern bildete sich ein Kulturleben in deutscher Sprache. Oftmals spielten Exilanten ausschließlich für andere Exilanten. In deutschsprachigen Rundfunkprogrammen (etwa der BBC, London) traten zudem zahlreiche Schauspieler als Sprecher auf. Für Schauspieler boten sich auf diese Weise zumindest bescheidene Möglichkeiten, im erlernten Beruf weiter arbeiten zu können.
Im Theaterbetrieb des jeweiligen Aufnahmelandes spielen zu können, war für die meisten Exilanten ausgeschlossen. In vielen Aufnahmeländern entstanden daher kleine Theatergruppen, die in deutscher Sprache spielten. Oft waren es politische Kleinkunstbühnen und Klubtheater, die sich ihre künstlerische Nische suchten und teils Elemente der Theaterkunst der Weimarer Republik fortführten. An vielen dieser Bühnen, beispielsweise im Londoner Laterndl, wurden hauptsächlich politische Revuen, Kabaretts und Unterhaltungsstücke gegeben.
In den USA, wo rund 1.000 Theaterkünstler Zuflucht fanden, gab es die Erwartung, dass sich Schauspieler im Exil die englische Sprache aneigneten.
Hier gab es, anders als in der Schweiz mit dem Schauspielhaus Zürich, in Frankreich oder auch in Südamerika, kaum nachhaltige Theater- oder Ensemblegründungen von Exilanten. In Palästina war Deutsch als Sprache der Nationalsozialisten verpönt – Schauspieler mussten die hebräische Sprache lernen. In der Sowjetunion konnten Exilanten auch an Berufstheatern deutschsprachige Stücke aufführen, etwa das Deutsche Theater „Kolonne Links“ in Moskau.
Neben der Sprachhürde kam oftmals auch eine unterschiedliche Erwartungshaltung hinzu, was Theater in einer Gesellschaft leisten sollte. In den USA beispielsweise trafen Künstler des Weimarer Avantgarde-Theaters auf den eher kommerziell ausgerichteten Broadway-Betrieb. Selbst bekannte Dramatiker und Regisseure wie Bertolt Brecht und Max Reinhardt hatten es schwer, ihre Stücke an größeren Bühnen unterzubringen. Das Publikumsinteresse war entscheidend, manchmal wurden Stücke nach zwei bis drei Vorstellungen abgesetzt.
Viele Theaterschaffende gründeten im Exil Workshops oder Schauspielschulen, zum Beispiel wie Max Reinhardt oder Erwin Piscator mit seinem Dramatic Workshop in New York, aus denen auch Impulse für die Theaterkultur des Aufnahmelandes entstanden.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrten viele Theaterleute in ihre Heimatländer zurück.
Weiterführende Literatur:
Diezel, Peter: Theater im sowjetischen Exil. In: Mittenzwei, Werner / Rischbieter, Henning / Schneider, Hansjörg / Trapp, Frithjof (Hg.): Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters. Bd. 1. Verfolgung und Exil deutschsprachiger Theaterkünstler. München: K. G. Saur 1999. S. 289-318.
Naumann, Uwe: Theater, in: Krohn, Claus-Dieter u.a. (Hg.): Handbuch der deutschsprachigen Emigration, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1998, Sp. 1112-1122
Oedl, Ulrike: Theater im Exil - Österreichisches Exiltheater, Vortrag 2002, http://www.literaturepochen.at/exil/lecture_5013.pdf
Schirrmeister, Sebastian: Das Gastspiel: Friedrich Lobe und das hebräische Theater 1933-1950. Berlin: Neofelis-Verlag 2012