Tarnschriften
Dein Plan hinsichtlich der Propaganda ins Land hinein hat meine Zustimmung und Mitwirkung. […] Es kann bei diesen Sachen niemals genug werden. […] Meine Dünndruck-Manifeste zähle ich nicht mehr. Mein Ziel ist bei allem das Deine: die deutsche Erhebung muss dem Krieg zuvorkommen.
Heinrich Mann in einem Brief an seinen Bruder Thomas Mann am 25. Mai 1939
Um ihre Leser und Verteiler vor Repressalien zu schützen, wurden viele Texte, die dem Widerstand dienten, in den benachbarten Ländern gedruckt und in Deutschland in Gestalt von Tarnschriften verbreitet. Sie „kleideten“ sich in einen unverfänglichen Umschlag, der einen harmlos anmutenden, bei Kenntnis des Inhalts zuweilen aber subversiven Titel hatte. Angaben über den Herausgeber und die tatsächlichen Autoren fanden sich nur in den Innenseiten. Tarnschriften wurden oft über Drittländer eingeschmuggelt, wasserdicht in Flaschen oder Blechbüchsen, in Stoffballen, Koffern mit doppeltem Boden, Reservereifen oder gar im Schiffsabfalleimer verpackt. Die Schriften begannen oft erst nach einigen Seiten oder waren in einer weiteren Tarnhülle verborgen: in Agfa-Filmtüten, in Beuteln von Puddingpulver, Tee oder Tomatensamen.
Literatur und Kunst bildeten nur einen kleinen Teil der Tarnschriften, die viel öfter, wie das 1933 in Paris erschienene Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror, einen politischen Inhalt transportierten und von Emigranten aus der Kommunistischen oder Sozialistischen Partei im Exil, ebenso vom Schutzverband Deutscher Schriftsteller herausgegeben wurden. Unter den Schriftstellern engagierten sich vor allem Gustav Regler, Bodo Uhse, Bertolt Brecht, Rudolf Leonhard, Anna Seghers, Willi Bredel und Heinrich Mann. Auch von Thomas Mann kursierten Texte als Tarnschriften in Deutschland, so sein Briefwechsel mit der Philosophischen Fakultät Bonn von 1936/1937 über die Aberkennung seiner Ehrendoktorwürde, 1937 bei Oprecht in Zürich publiziert, unter dem Tarnumschlag Briefe deutscher Klassiker.
Weiterführende Literatur:
Gittig, Heinz: Illegale antifaschistische Tarnschriften 1933 bis 1945. 87. Beiheft zum Zentralblatt für Bibliothekswesen. Leipzig: Bibliographisches Institut 1972
Greinert, Cordula: Subversives Brausepulver. Heinrich Manns Tarnschriften gegen den Nationalsozialismus. In: Work in progress. Doktorandinnen-Jahrbuch der Rosa-Luxemburg-Stiftung 1. Berlin: Dietz 2011, S. 329 – 344
Ruppelt, Georg: „Die Kunst des Selbstrasierens“. Tarnschriften gegen die nationalsozialistische Diktatur. Lesesaal Heft 5. Hameln: Niemeyer 2002