Fotografie: Gret Palucca
Fotografie vom 14. Dezember 1959: Die Tänzerin und Tanzpädagogin Gret Palucca unterrichtet nach ihrer Remigration wieder in Deutschland
Bundesarchiv, Bild 183-69518-0001, Fotograf: Löwe

Tanz

Exil bedeutet für Künstler oftmals, dass sie ihr Werk oder Teile davon bei der Ausreise zurücklassen müssen. So verbleiben etwa die Bauwerke eines Architekten unverrückbar in dem Land, dem er den Rücken zukehrt. Das künstlerische Medium von Tanzschaffenden hingegen ist ganz wesentlich der Körper, auf den sich auch Choreografen oder Musiker beziehen. Auch wenn Kostüme und Requisiten im Ausreiseland zurück bleiben: Sobald der Tänzer unbeschadet im Exil angekommen ist, ist auch ein Teil seines Werks gerettet.

Mit den Tänzern und Choreographen, die zwischen 1933 und 1945 auswanderten, verließ auch der Ausdruckstanz nahezu vollständig Deutschland. Während im nationalsozialistischen Deutschland nunmehr anstelle von künstlerisch anspruchsvollen Tänzen Unterhaltungsrevuen aufgeführt wurden, avancierte der Ausdruckstanz in den USA zum German Dance und beeinflusste die weitere Entwicklung des Modern Dance nachhaltig.

Dennoch erlebten Tanzschaffende erschwerte Produktionsbedingungen im Exil. Fehlende Arbeitsgenehmigungen schränkten die Möglichkeiten zu öffentlichen Auftritten ein, die Hitze in Südamerika oder Shanghai zehrte an der körperlichen Verfassung der Tänzer. In die Girl-Reihen der Broadwayproduktionen fügten sich deutschen Tänzerinnen nur schwer ein, da sie oft an den Schönheitsidealen der Produzenten scheiterten. Die flexible Tanzkunst passte sich allerdings häufig erfolgreich an die neuen Produktionsbedingungen an. Die Zahl der Rückwanderer war demgemäß unter den Tänzern recht gering. Zum Teil konnten ganze Kompanien gemeinsam emigrieren, wie beispielsweise das Ballett von Kurt Jooss, das erfolgreiche Tourneen in Europa und den USA absolvierte. 

Das Exil wurde auch von bestimmten Bewegungserfahrungen begleitet, welche die Tänzer künstlerisch verarbeiteten. Wochenlange Schiffsfahrten, die durch körperlichen Stillstand gekennzeichnet waren, stellten einen Gegensatz zu dem schnellen Rhythmus neuer Städte dar. War die Großstadt bereits in Deutschland Thema des Expressionismus, so gewann das Thema durch das Exil eine neue Aktualität.

Besonders für die kulturelle Identität des jungen Staates Israel spielte die Tanzkunst eine wichtige Rolle. Das Ideal des Selbstausdrucks des modernen Tanzes verband sich mit dem zionistischen Traum von einem neuen Menschen. Die körperliche Freiheit im Tanz symbolisierte die Freiheit von „Eretz Israel“. Auch die deutsche Amateurtanzbewegung fand Anklang in den Kibbutzim, weil er den Gemeinschaftssinn des jüdischen Volkes verkörperte.

Weiterführende Literatur:
Böhme, Hartmut / Huschka, Sabine: Prolog. In: Böhme, Hartmut / Huschka, Sabine (Hg.): Wissenskultur Tanz. Bielefeld: Transcript Verlag 2009, S. 7-25
Guilbert-Deguine, Laure: Tanz. In: Krohn, Hans-Dieter (Hg.): Handbuch der deutschsprachigen Emigration. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2008, S. 1103-1111
Hardt, Yvonne / Mahr, Kirsten: Zur Verortung des Tanzes im Spannungsfeld von Metropole und Provinz. Eine Einleitung. In: Hardt, Yvonne / Mahr, Kirsten (Hg.): Tanz. Metropole. Provinz. Münster: Lit Verlag 2007, S. 1-19

Galerie