Steinberg Verlag, Zürich 1942–1972

Fotografie: Schaufensterauslage des Steinberg Verlags in Zürich
Schaufenster-Auslage des Steinberg Verlags um 1945 in Zürich
Schweizerisches Literaturarchiv SLA, Schweizerische Nationalbibliothek, Steinberg Verlagsarchiv, mit freundlicher Genehmigung der Robert Walser-Stiftung Bern

Steinberg Verlag, Zürich 1942–1972

Das Kriegsjahr 1941 ging seinem Ende zu, als sich im zürcherischen Enge-Quartier die wuchtige Gestalt des vor anderthalb Jahrzehnten gestorbenen Dramatikers und Übersetzers Werner Johannes Guggenheim in die kleine Buchhandlung der Schwestern Luise und Selma Steinberg schob. Zigarettenqualmend berichtete er, daß kürzlich ein Verlag seine deutschsprachige Fassung des Romans „Samuel Belet“ von Ch. F. Ramuz abgelehnt und damit auf die Option von weiteren Werken des westschweizerischen Erzählers verzichtet habe. „Wie schade!“ bedauerten die literaturbegeisterten Schwestern wie im Chor, denn Ramuz' eigenwillige Persönlichkeit und Begabung war ihnen wohlbekannt. „Bringen Sie meine Übersetzung doch selber heraus!“ schlug Guggenheim vor. – „Ja, womit denn? Zu einem Verlag braucht es doch Geld!“ – „Stimmt. Aber wozu gibt es Kredite? Sprechen Sie mit einem anständigen Drucker, ob er Ihnen keinen Kredit einräumt und den Roman sauber setzt!“ Gesagt, getan. Das Resultat der Unterredung war, daß das ergreifende Meisterwerk „Samuel Belet“ […] als erstes Werk des Steinberg-Verlags am 1. April 1942 ausgeliefert werden konnte.

Carl Seelig über die Gründungsgeschichte des Steinberg Verlags


Der 1942 in Zollikon bei Zürich von den beiden Schwestern Selma und Luise (Lili) Steinberg gegründete Steinberg Verlag zählt neben dem Oprecht Verlag sowie den drei vom Verleger Simon Menzel, dem Ehemann der dritten Steinberg-Schwester Sophie Menzel, gegründeten Verlagen Humanitas, Die Liga und Diana zu den wenigen Verlagen in der Schweiz, die sich zur Zeit des Nationalsozialismus auf die Veröffentlichung von deutschsprachiger Exilliteratur spezialisierten. Zu den bei Steinberg verlegten Exilautor*innen zählen etwa Klaus Mann, Max Brod, Jo Mihaly, Alexander Moritz Frey, Ferdinand Bruckner oder Margarete Susman, sowie der Schweizer Rudolf Jakob Humm, der in seinem „Rabenhaus“ in Zürich ab 1934 regelmäßig Exilant*innen aufnahm. Einen weiteren Schwerpunkt des Verlags bildeten Übersetzungen aus dem Englischen und dem Amerikanischen (von Huxley, Hemingway, Maugham, Steinbeck), die wiederum zu einem großen Teil von Exilant*innen wie u. a. Hermynia Zur Mühlen oder Hans Flesch erarbeitet wurden. Als Mitarbeiter des Verlags fungierten zeitweise Carl Seelig, sowie die Autoren Kurt Kläber und Kurt Münzer. Die Bedeutung des Steinberg Verlags als Exilverlag ist bislang nicht aufgearbeitet.

Lili und Selma Steinberg verfügten in ihren Testamenten über die Gründung einer Stiftung mit dem Zweck, ihre Liegenschaften in Zollikon und im Tessin (Minusio/Locarno) erholungsbedürftigen Schriftsteller*innen für eine bestimmte Zeit zur Verfügung zu stellen. Die „Sofie Menzel und Schwestern Lili und Selma Steinberg-Stiftung“ ging 1996 in die Forberg-Stiftung über, die im Sinne der beiden Steinberg-Schwestern Atelier- und Arbeitsräume an Künstler*innen und Schriftsteller*innen vermittelt.

Weiterführende Literatur:
Fischer, Erich: Steinberg Verlag, Zürich. In: Ders.: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Drittes Reich und Exil. Teil 3: Der Buchhandel im deutschsprachigen Exil 1933–1945. Teilband 1. Berlin/Boston: De Gruyter 2021, S. 345–347.

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