Fotografie: Thomas und Katia Mann vor dem Zürichsee
Thomas und Katia Mann mit Hund Boris im Garten über dem Zürichsee, Kilchberg 1955
© Keystone / Thomas-Mann-Archiv Zürich

Schweiz

Wer ein schon stark besetztes kleines Rettungsboot mit beschränktem Fassungsvermögen und ebenso beschränkten Vorräten zu kommandieren hat, indessen Tausende von Opfern einer Schiffskatastrophe nach Rettung schreien, muss hart scheinen, wenn er nicht alle aufnehmen kann. Und doch ist er noch menschlich, wenn er beizeiten vor falschen Hoffnungen warnt und wenigstens die schon Aufgenommenen zu retten sucht.

Eduard von Steiger, schweizerischer Bundesrat, 1942


Aufgrund ihrer unnmittelbaren Nachbarschaft zu Deutschland, einer langen Tradition außenpolitischer Neutralität sowie der zumindest partiellen Zugehörigkeit zum gleichen Sprachraum zählte die Schweiz nach der nationalsozialistischen Machtübernahme zu den bevorzugt angesteuerten Exilländern. Infolge mehrerer im März/April 1933 erlassener Verordnungen sahen sich die zahlreichen einreisewilligen Flüchtlinge jedoch weitgehenden Restriktionen ausgesetzt. Überfremdungsängste sowie wirtschaftliche Bedenken nährten ein nationales Selbstverständnis der Schweiz als Transitland, dem umfängliche Aufenthaltsbestimmungen und ein strenges Arbeitsverbot entsprachen. Politisches Asyl wurde nur in wenigen Fällen gewährt. Da die Verfolgung aus Gründen ethnischer Zugehörigkeit als Asylgrund ausgeschlossen wurde, blieb jüdischen Flüchtlingen, die im Unterschied zu den politisch verfolgten „Flüchtingen“ verharmlosend als „Emigranten“ bezeichnet wurden, eine entsprechende Anerkennung versagt. Erst im Juli 1944 hob der Bundesrat diese Sonderbestimmung auf.

Unter anderem durch die steigende Zahl der Flüchtlinge nach der Annexion Österreichs veranlasst, diskutierte man in der Schweiz im Sommer 1938 eine allgemeine Visumspflicht. Um Touristen jedoch keine bürokratischen Unannehmlichkeiten zuzumuten, einigte man sich schließlich mit den deutschen Behörden darauf, dass diese die Pässe von deutschen und österreichischen Juden mit einem „J“ kenntlich machen würden. Eine legale Einreise für Juden in die Schweiz war danach nicht mehr möglich. Angesichts eines massiv angestiegenen Flüchtlingsstroms nach dem Einsetzen der Deportationen aus Westeuropa wurden die Grenzen im August 1942 komplett geschlossen. Während des Zweiten Weltkriegs lebten circa 300.000 schutzsuchende Ausländer in der Schweiz.

Trotz der schwierigen dortigen Existenzumstände wurde die Eidgenossenschaft ab 1933 zum Zufluchtsort mehrerer deutscher Künstler, darunter die Schriftsteller Thomas Mann, Robert Musil, Else Lasker-Schüler, die Kinderbuchautoren Lisa Tetzner und Kurt Kläber sowie der Grafiker Clément Moreau. Auch die schweizerische Theaterszene war zwischen 1933 und 1945 maßgeblich von Emigranten geprägt. Eine prominente Stellung erlangte in diesem Zusammenhang besonders das Schauspielhaus Zürich. Ferner sind das Baseler Stadttheater sowie das von Erika Mann geleitete Kabarett Die Pfeffermühle zu nennen. Als wichtige Plattform antinazistischer Exilliteratur konnte sich der Europa-Verlag Emil Oprechts in Zürich etablieren. Der Verleger Bruno Dressler gründete 1933 die Schweizerische Büchergilde Gutenberg, nachdem das deutsche Pendant der nationalsozialistischen Gleichschaltung zum Opfer gefallen war. Von dem dort 1935 erschienenen Erlebnisbericht Die Moorsoldaten, in dem der Schauspieler Wolfgang Langhoff die Realität in deutschen Konzentrationslagern beschreibt, verkauften sich binnen eines Jahres neun Auflagen. Auch andere Exil-Publikationen – etwa Thomas Manns bei Oprecht verlegter Briefwechsel mit der Universität Bonn – konnten Erfolge erzielen.

Weiterführende Literatur:

Wende, Frank: Deutschsprachige Schriftsteller im Schweizer Exil 1933 – 1950. Eine Ausstellung des Deutschen Exilarchivs 1933 - 1945 der Deutschen Bibliothek. Wiesbaden: Harrassowitz 2002
Wichers, Hermann: Schweiz. In: Krohn, Claus-Dieter u.a. (Hg.): Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933-1945. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1998, S. 375-383

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