Pass von Jula Isenburger (1943)
Fremdenpass der Tänzerin Jula Isenburger, 1943
Archiv der Isenburger Gesellschaft e.V., Neuburg, mit freundlicher Genehmigung von Sheila Low-Beer

Der Pass

Der Paß ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustand wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustande kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Paß niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.

Bertolt Brecht, Flüchtlingsgespräche, 1940/41


Der Pass ist ein amtliches Dokument, mit dem die Identität, Nationalität und Ortsansässigkeit eines Menschen gesichert feststellbar ist. Als Ausweisdokument bestimmt es, wer sich wo, wann und wie lange aufhalten und wer wohin ein- oder ausreisen darf. Als Kontrollinstrument wird der Pass, beispielsweise an Staatsgrenzen überprüft. Liegen keine oder die falschen Ausweispapiere vor, sind Abweisung oder Diskriminierung die Folge. Manchmal folgt daraus dann ein illegaler Grenzübertritt.

Die Rechte, die sich mit einem gültigen Pass verbinden, sind für viele Menschen selbstverständlich. Durch gewaltsame Vertreibungen jedoch, durch Kriege, erzwungene Flucht oder Ausbürgerungen kommt es immer wieder zu Situationen, in denen Menschen durch den Verlust von gültigen Papieren handlungsunfähig gemacht werden. Die Anwesenheit oder Abwesenheit von Pässen und Ausweisdokumenten bestimmt daher den Alltag von Flüchtlingen und Emigranten auf besondere Weise: Fragen zu Transitvisa, Ausreise-, Einreise- oder Aufenthaltsgenehmigungen sind auf der Flucht oder im Exil alltäglich. Manche Flüchtlinge beschaffen sich gefälschte Papiere.

In der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945 hatten gültige Papiere oder aber der Verlust von Ausweisdokumenten, etwa durch Ausbürgerung, bislang beispiellose Konsequenzen. Viele Verfolgte und Flüchtlinge verloren nicht nur alle staatsbürgerlichen Rechte sondern auch ihren Besitz: sie waren staaten- und mittellos, auf der Suche nach Möglichkeiten in einem anderen Land Aufnahme zu finden. Die Veröffentlichung von Ausbürgerungslisten in Zeitungen war schließlich eine zusätzliche Ausgrenzung und Bloßstellung. Mit dem gestempelten Buchstaben ‚J‘ oder den Zwangsvornamen ‚Israel‘ und ‚Sarah‘ in deutschen Reisepässen wurden die Passinhaber als Juden gekennzeichnet und konnten damit leichter identifiziert werden – auf diese Weise waren die Pässe Teil der antisemitischen Zwangsmaßnahmen des nationalsozialistischen Regimes.

Zahlreiche Exilanten widmen sich dem Thema Staatsbürgerschaft und der Frage nach gültigen Dokumenten in autobiografischen und literarischen Texten. Zum Beispiel Bertolt Brecht in seinen Flüchtlingsgesprächen, Anna Seghers in Transit oder Franz Werfel in Jacobowsky und der Oberst.

Auch heute spielt das Thema Pass im Zusammenhang mit Flucht und Migration eine wichtige Rolle: wenn es beispielsweise um die Frage geht, welchen Status und welche Rechte Flüchtlinge ohne Ausweispapiere haben, oder um die Frage, ob ein Mensch mehr als zwei Pässe haben kann. 

Weiterführende Literatur:
Thomas Claes: Passkontrolle! Ein kritische Geschichte des sich Ausweisens und Erkanntwerdens, Berlin 2010
Valentin Groebner: Der Schein der Person. Bescheinigung und Evidenz. In: Hans Belting, Dietmar Kamper und Martin Schulz (Hg.): Quel corps? Eine Frage der Repräsentation. München: Fink 2002, S. 309-323.
Payne, Charlton: „Der Pass zwischen Dingwanderung und Identitätsübertragung in Remarques Die Nacht von Lissabon.“ In: Dinge des Exils. Jahrbuch für Exilforschung. (31), München 2013, S. 343-354

Galerie