Moskau
Mein Zimmer im Hotel „Lux“, dem Gemeinschaftshaus der Komintern, zeigt noch Spuren des wüsten Durcheinanders nach der Haussuchung und Verhaftung meines Mannes vor nun drei Tagen. Auf dem Boden liegen Bücher und Papierfetzen. Jetzt kommen die drei Maifeiertage, die Gefängnisschalter werden geschlossen sein, und ich kann nichts für ihn tun!
Margarete Buber-Neumann über die Verhaftung ihres Mannes 1937 in Als Gefangene bei Stalin und Hitler, 1949
Moskau war besonders für deutsche Kommunisten, die ab 1933 Deutschland verlassen mussten, als Fluchtziel von Bedeutung. Von den etwa 4.600 deutschen Emigranten, die in die Sowjetunion kamen, konnte jedoch nur ein geringer Teil in der Hauptstadt leben. In der Sowjetunion herrschte seit den 1930er Jahren Wohnungsknappheit, sodass es gerade für Exilanten schwierig wurde, in Moskau Fuß zu fassen. Hauptsächlich lebten in der Hauptstadt der Sowjetunion die Führer der KPD und Mitarbeiter der Komintern. Viele bezogen Zimmer im Hotel Lux, in dem seit 1921 internationale, kommunistische Spitzenfunktionäre untergebracht wurden. Treffpunkte für die Emigranten waren zwei Klubs, vor allem der Klub ausländischer Arbeiter sowie die Zentralbibliothek für ausländische Literatur. Für emigrierte Journalisten und Künstler bot Moskau gute Arbeitsmöglichkeiten und Kontakte. Deutschsprachige Schriftsteller konnten ihre Bücher in der Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR (VEGAAR) veröffentlichen. Die bereits seit 1926 erscheinende Deutsche Zentralzeitung (DZZ) erreichte in den 1930er Jahren eine Auflage von 40.000 Exemplaren. Zahlreiche internationale Künstlerverbände und politische Gremien erleichterten den Kontakt der Künstler untereinander. Während in der Sowjetunion zahlreiche emigrierte Publizisten und Schriftsteller eingereist waren, spielten jedoch bildende Künstler eine eher geringe Rolle. Publizisten konnten im Moskauer Exil deutschsprachige Zeitschriften veröffentlichen beispielsweise die 1936 in Moskau gegründete Exilzeitschrift Das Wort oder die Internationale Literatur, deren Chefredakteur der Schriftsteller Johannes R. Becher war. Das Wort erlangte mit seinen drei in Europa verstreuten Herausgebern Willi Bredel in Moskau, Bertolt Brecht in Svendborg und Lion Feuchtwanger in Sanary-sur-Mer sowie zahlreichen Beitragenden, darunter als einzige Frau auch Anna Seghers, schnell große Bekanntheit. Die Auflage stieg 1936 auf 7.000 und bis 1939 auf etwa 12.000 Exemplare.
Ab 1936 verfolgte das stalinistische Regime massenhaft die eigenen Bürger, aber auch viele der deutschen Emigranten unter dem Vorwand, Spione und Saboteure zu suchen. Besonders Emigrantenwohnheime wurde zur Falle: Ein großer Teil der deutschen Bewohner wurde vom sowjetischen Geheimdienst NKWD verhaftet und ermordet.
Weiterführende Literatur:
Jarmatz, Klaus, Simone Barck und Peter Diezel: Exil in der UdSSR. Leipzig: Reclam 1979
Müller, Reinhard: Menschenfalle Moskau: Exil und stalinistische Verfolgung, 1. Aufl.. Hamburg: Hamburger Edition 2001
Tischler, Carola: Flucht in die Verfolgung: deutsche Emigranten im sowjetischen Exil; 1933 bis 1945. Münster: Lit 1996
Weber, Hermann: „Hotel Lux. Die deutsche kommunistische Emigration in Moskau“. Sankt Augustin: Konrad-Adenauer-Stiftung 2006