Lissabon
Durch die Diktatur António Oliviera Salazars wurde Portugal in der Zeit des Nationalsozialismus nie zu einem Exilland. Zwar gab es einige wenige Ausnahmen, doch ging das autoritäre Regime von Anfang an massiv gegen die Einwanderung von Emigranten und Flüchtlingen vor.
Die Hauptstadt Lissabon mit ihrem Hafen war für die Kolonialmacht Portugal nicht nur Ausgang und Verbindung zu den eigenen überseeischen Besitzungen, sondern auch der wichtigste wirtschaftliche Faktor im Handel mit England und Amerika. Dies führte zu einem Bemühen um Neutralität. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs sollten weder die Westmächte noch Deutschland verärgert werden. Viele Emigranten haben in Briefen, Berichten und Autobiographien die Koexistenz von amerikanischen und jüdischen Hilfsorganisationen auf der einen und deutschen Gesandtschaften und Gestapobeamten auf der anderen Seite beschrieben.
Mit der Besetzung der Beneluxstaaten und der französischen Westküste durch die Deutschen wurde Lissabon 1940 zum letzten freien Festlandhafen mit direktem Zugang zum Atlantik. 40.000 bis 50.000 Flüchtlinge und Emigranten sind nach Schätzungen in den Jahren 1940 und 1941 durch Portugal geflohen. Um sicherzustellen, dass die Emigranten Portugal schnell wieder verließen, stellten die portugiesischen Behörden Transitvisa aus, die an die Bedingung eines Einreisevisums in ein Zielland und ein gültiges Schiffsticket geknüpft waren.
Zahlreiche humanitäre Hilfsorganisationen wie die HICEM oder das Unitarian Service Committee waren in Lissabon und unterstützten die Flüchtlinge mit Geld, Übernachtungsmöglichkeiten, Verpflegung und bei der Abwicklung der Reisemodalitäten. Auch das Emergency Rescue Committee, das sich um die Ausreise verfolgter Künstler und Schriftsteller bemühte, arbeitete eng mit den Organisationen vor Ort zusammen. Doch standen diese vor großen logistischen Problemen. Der Andrang auf die Schiffe und die Clipper der Pan American World Airways, die ebenfalls von Lissabon nach New York aufbrachen, war kaum zu bewältigen. Die Schiffspassagen und Flugverbindungen waren meist über Wochen ausgebucht, wodurch sich Lissabon bald zum „Wartesaal Europas“ entwickelte.
Weiterführende Literatur:
Heine Teixeira, Christina: Wartesaal Lissabon 1940–1941. Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933. Band 3 USA. Herausgegeben von John M. Spalek, Konrad Feilchenfeldt und Sandra H. Hawrylchak. Teil 3. Bern und München: K. G. Saur Verlag 2002. S. 441–481