Internierungslager Les Milles
Chère Jeanne, S.O.S. Max
Postkarte von Max Ernst an die Galeristin Jeanne Bucher, 1. September 1939
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs ordnete die französische Regierung die Internierung der in Frankreich lebenden Deutschen und Österreicher an. Viele von ihnen waren wegen rassistischer oder politischer Verfolgung aus dem nationalsozialistischen Deutschland in das Nachbarland geflohen, wo sie nun als „feindliche Ausländer“ galten.
Die meisten Internierungslager waren nur provisorisch eingerichtet, so auch die Ziegelei in Les Milles bei Aix-en-Provence. Dort wurden nach Kriegsbeginn über 1500 Menschen inhaftiert, für die die sanitären Einrichtungen und die Versorgung nicht ausreichten: Es herrschten katastrophale hygienische Zustände. Unter den Häftlingen waren auch prominente Künstler wie die Schriftsteller Lion Feuchtwanger, Walter Hasenclever, Alfred Kantorowicz und Golo Mann sowie die Maler Max Ernst und Hans Bellmer. Anfang des Jahres 1940 wurden fast alle Insassen wieder entlassen, doch nach dem Angriff der deutschen Wehrmacht auf Frankreich brachte man erneut Gefangene nach Les Milles – insgesamt waren dort bis zur Schließung im Spätherbst 1942 etwa 10.000 Menschen aus 27 Ländern inhaftiert.
Baumaßnahmen verbesserten die Lebensbedingungen nur unwesentlich. Die Internierten traten dem deprimierenden Alltag mit kulturellen Veranstaltungen entgegen. Für die etwa 40 Maler wurde ein Atelier eingerichtet, in Gemeinschaftsarbeit gestalteten sie die Wände der Kantine des Wachpersonals.
Les Milles war das einzige Transitlager in Frankreich: Mit den erforderlichen Papieren wurde den Gefangenen die Ausreise erlaubt. Im März 1941 wurde ein Büro der jüdische Flüchtlingsorganisation HICEM in der Ziegelei eröffnet, einigen gelang es, mit Hilfe von amerikanischen Hilfsorganisationen wie dem Emergency Rescue Committee in die USA auszureisen. Im August 1942 wurde das Lager abgeriegelt: Die mit Deutschland verbündete Vichy-Regierung hatte ihr Einverständnis gegeben, jüdische Häftlinge ohne französische Papiere zu deportieren. Etwa 2.000 Kinder, Frauen und Männer wurden aus Les Milles über das Durchgangslager Drancy bei Paris in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert.
Weiterführende Literatur:
Obschernitzki, Doris: Letzte Hoffnung – Ausreise. Die Ziegelei von Les Milles 1939-1942. Vom Lager für unerwünschte Ausländer zum Deportationszentrum. Teetz: Hentrich und Hentrich 1999
Gausmann, Angelika: Deutschsprachige bildende Künstler im Internierungs- und Deportationslager Les Milles von 1939 bis 1942. Paderborn: Möllmann 1997