Kabarett
Als ich heute morgen aufstand, guckte ich als erstes aus dem Fenster. „Nach was guckst du“, fragte mein Nachbar. „Ich gucke nur“, antwortete ich, „ob ich schon im Ausland wohne.“
Der Kabarettist Louis Davids in einer seiner Conférencen 1939
Zum Wesen des Kabaretts gehört die Kritik an Politik und Gesellschaft. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 war diese Kunstform grundsätzlich gefährdet. Bereits am 28. Februar 1933, einen Tag nach dem Reichstagsbrand, war die Verfassung geändert worden: Die Meinungsfreiheit und das Versammlungsrecht wurden eingeschränkt, Eingriffe in das Brief-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis ermöglicht. Öffentliche Vorstellungen von zeitkritischem Kabarett waren damit bereits stark eingeschränkt. Aufgrund von Aufführungs- und Berufsverboten für jüdische Künstler lösten sich in der folgenden Zeit viele Ensembles auf. Der Weg ins Exil war für Kabarettkünstler die einzige Möglichkeit, weiterhin auf der Bühne zu stehen.
Logisches Ziel war zunächst das deutschsprachige Ausland, um weiter in gewohnter Form auftreten zu können. In der Schweiz war das Kabarett als Kunstform allerdings unbekannt, zudem schrieb das dortige Asylrecht vor, dass sich Einwanderungswillige „durch ruhiges Verhalten ihrer Aufnahme als würdig“ erweisen. Dennoch versuchten einige Kabarettkünstler, in der Schweiz weiterzuarbeiten. Die meisten gingen jedoch nach Österreich, wo sie mit etwas Glück in etablierten Kleinkunsttheatern neben ihren österreichischen Kollegen auftreten konnten.
Nach der Annexion des Nachbarlandes 1938 und der erneuten Flucht in ein nicht deutschsprachiges Land stellte sich für die Bühnenkünstler das Problem der Sprache. Die Zusammenarbeit mit einheimischen Kollegen und einem sprachlich gemischten Programm gelang nur selten. Die meisten Kabarettgruppen, die sich in den folgenden Jahren in Westeuropa oder den USA gründeten, traten mit deutschsprachigen Programmen auf. Ihre Themen waren die Zustände in Deutschland und das Leben im Exil selbst, ihr Publikum bestand zum großen Teil aus Emigranten.
Für die meisten Zuschauer waren Kabarett-Abende etwas Besonderes. Geldnöte ließen den Besuch von Kulturveranstaltungen ohnehin zur Ausnahme werden, dazu kam, dass es angesichts der persönlichen Situation und der Weltlage buchstäblich kaum etwas zu lachen gab.
Weiterführende Literatur:
Klösch Christian, Thumser Regina: „From Vienna“. Exilkabarett in New York 1938 bis 1950. Wien: Picus Verlag 2002 (Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung der Österreichischen Exilbibliothek)
Zaich, Katja B.: „Ich bitte dringend um ein Happyend“: Deutsche Bühnenkünstler im niederländischen Exil 1933-1945. Frankfurt am Main u.a.: Lang 2001
Weit von wo. Kabarett im Exil. Karl Farkas, Peter Herz, Hugo F. Koenigsgarten, Rudolf Spitz, Robert Weil u.a. Hg. von Hans Veigl. Wien: Kremyr & Scheriau 1994
Otto, Rainer; Rösler, Walter: Abriss des deutschsprachigen Kabaretts. Berlin: Henschel Verlag, 1981