Internierung
Das Sportstadion war mit Menschen vollgepfercht, die ringsum auf den Bänken lagen, saßen und standen. Das Fußballfeld in der Mitte, ein gepflegter Rasen, durfte nicht betreten werden. […] Zur Erledigung der Notdurft standen offene Kübel herum, die überliefen. Der Rundgang um das Spielfeld auf der Aschenbahn war eine Promenade der Verzweiflung.
Der Tänzer und Choreograf Jean Weidt in seinen Lebenserinnerungen Der Rote Tänzer, 1968
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs internierten viele Länder sogenannte „feindliche Ausländer“. Das bedeutete: Alle im Land lebenden Deutschen wurden in Haft genommen. In Ländern wie Belgien, Frankreich und England verbreitete sich Angst vor der sogenannten „fünften Kolonne“, der anzugehören man nun alle Deutschen (und z. T. auch Österreicher, Tschechen und Angehörige weiterer Nationen) verdächtigte: Sie sollten angeblich Spione sein, die die deutsche Wehrmacht bei der Besetzung des jeweiligen Landes „von innen heraus“ unterstützen würden.
Die Internierung in Lagern betraf Deutsche, die zum Teil schon sehr lange in dem jeweiligen Land lebten, und erfolgte unabhängig von der politischen Ausrichtung. Die örtlichen Behörden internierten auch diejenigen, die vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten in dem Land Zuflucht gefunden hatten – obwohl gerade sie erklärte Gegner des nationalsozialistischen Regimes waren. Für die Exilanten waren die Internierungen ein Schock, wurden sie doch auf diese Weise mit nationalsozialistischen Deutschen auf eine Stufe gestellt, anstatt in den Aufnahmeländern aktiv am Kampf gegen das NS-Regime teilhaben zu dürfen.
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden die Menschen (zunächst nur Männer, später auch Frauen und Kinder) an Sammelstellen zusammengeführt, in Fußballstadien, Fabriken, eingezäunten Straßenzügen, beschlagnahmten Hotels oder auf abgelegenen Inseln gefangen gehalten oder auch nach Übersee, nach Kanada und Australien, deportiert. Die Bedingungen waren, vor allem in den vorläufig eingerichteten Lagern zu Beginn der Internierungen, oft menschenunwürdig. Viele Menschen starben an Krankheiten und Unterernährung oder wählten den Freitod.
In vielen Lagern, die länger bestanden, schufen die Häftlinge eine ausgedehnte Selbstverwaltung. Sie gaben Zeitungen heraus, organisierten Vorträge, Kurse und kulturelle Veranstaltungen, beispielsweise Theateraufführungen und Konzerte. Die Internierung war für viele Exilanten ein Trauma, das Spuren in der Biografie und bei Künstlern oft auch in ihrem Schaffen hinterlassen hat. Es gibt zahllose autobiografische Texte, Romane, Gemälde und viele andere Kunstwerke, in denen sich diese Erfahrungen niedergeschlagen haben.
Weiterführende Literatur:
Krohn, Claus-Dieter (Hg.): Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933-1945. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft 2008