Fluchthilfe

Urkunde: Bundesverdienstkreuz an Lisa Fittko
Urkunde zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Lisa Fittko durch den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am 25. Juni 1986
Deutsches Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek, Nachlass Lisa und Hans Fittko, EB 2002/027

Fluchthilfe

Schlepper, Schleuser, Fluchthelfer

Ich sehe keinen Unterschied zwischen dem, was ich gemacht habe und dem, was ein syrischer Fluchthelfer macht. Wenn ein Mensch in Not ist, hat er ein eigenes Gesetz. Und wenn ihm kein anderer hilft, müssen wir das eben tun.

Burkhart Veigel, Fluchthelfer für DDR-Flüchtlinge, Träger des Bundesverdienstkreuzes, März 2015


Je aussichtsloser es für Verfolgte ist, auf legalem Weg zu flüchten, desto größeren Stellenwert erlangt die Fluchthilfe. Fluchthelfer – ob Einzelpersonen oder Organisationen – müssen häufig auf illegale Methoden zurückgreifen, um Menschen die Flucht zu ermöglichen: sie fälschen Pässe, zahlen Bestechungsgelder, übernehmen finanzielle Transaktionen, organisieren Verstecke und heimliche Grenzübertritte.

Fluchthelfer sind häufig die einzig verbleibende Möglichkeit, ein Land zu verlassen bzw. ein Exil-Land zu erreichen. Ohne Fluchthelfer wäre vielen Menschen die Flucht vor dem nationalsozialistischen Regime nicht gelungen. Beispielhaft kann hier das Emergency Rescue Committee genannt werden, das (nicht zuletzt durch illegale Hilfsmaßnahmen) Schätzungen zufolge 4.000 Menschen zur Flucht verholfen hat, u.a. Lion Feuchtwanger, Heinrich Mann und Franz Werfel. Auch engagierte Fluchthelfer wie das Ehepaar Hans und Lisa Fittko unterstützten zahlreiche Menschen, indem sie sie über geheime Routen durch die Pyrenäen führten.

Menschen, die vor dem diktatorischen Regime der DDR fliehen wollten, waren ebenfalls auf Fluchthilfe angewiesen, um mit gefälschten Pässen, in umgebauten Autos oder durch aufwändig gegrabene Tunnel die sonst unüberwindbare Grenze zu passieren.

Die Dienste von Fluchthelfern in Anspruch zu nehmen, ist meistens sehr kostenaufwändig. Viele Flüchtlinge zahlen ihr gesamtes Erspartes dafür. Trotzdem bleibt die Flucht häufig lebensgefährlich. Immer wieder sterben Menschen, weil Fluchthelfer nicht die notwendige Infrastruktur stellen können oder wollen. Auch wenn Fluchthelfer für Flüchtlinge von größter Wichtigkeit sind, so ist ihr Handeln häufig nicht von Selbstlosigkeit geprägt.

Inzwischen hat sich über das Internet eine weitere Form der Fluchthilfe etabliert: Flüchtlinge und Menschenrechtsaktivisten tauschen sich beispielsweise über Chat-Dienste über mögliche und erfolgreiche Fluchtrouten aus oder versuchen, Hilfe für Menschen zu organisieren, die auf der Flucht in Not geraten sind. Smartphones erlangen damit eine existentielle Bedeutung für die Flüchtenden.

Die Bewertung der Fluchthilfe hat sich in den vergangenen Jahren sehr verändert: gelten die Fluchthilfe zwischen 1933-1945 und die Fluchthilfe aus der DDR als vorbildliche Akte der Mitmenschlichkeit, die eines Bundesverdienstkreuzes würdig sind, so wird heute kaum mehr zwischen (kriminellen) "Schleppern" und "Fluchthelfern" unterschieden.

Weiterführende Literatur:
Fry, Varian: Auslieferung auf Verlangen. Die Rettung deutscher Emigranten in Marseille 1940/41. Herausgegeben von Wolfgang D. Elfe und Jan Hans. München: Carl Hanser Verlag 1986
Erichsen, Regine: Fluchthilfe. In: Krohn, Claus-Dieter (Hg.): Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933-1945. Darmstadt: Primus Verlag. 1998, S. 62-81
Buchen, Stefan: Die neuen Staatsfeinde. Wie die Helfer syrischer Kriegsflüchtlinge in Deutschland kriminalisiert werden. Bonn: Dietz 2014

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