Das Emergency Rescue Committee
Das Emergency Rescue Committee
Viele […] glaubten bei jedem Klingeln, bei jedem Klopfen an der Tür und jedem Schritt auf der Treppe, die Polizei sei da, um sie abzuholen und an die Gestapo auszuliefern. Verzweifelt suchten sie nach Mitteln und Wegen, um sich aus der Schlinge zu befreien, die sich plötzlich um ihren Hals gelegt hatte.
Varian Fry, Auslieferung auf Verlangen, 1940/1941
Das Emergency Rescue Committee (ERC) wurde Ende Juni 1940 in New York von deutschen und amerikanischen Intellektuellen und Wissenschaftlern gegründet. Das Ziel der Hilfsorganisation war die Rettung von verfolgten Künstlern und Politikern aus Frankreich in die USA. Unmittelbarer Anlass war das am 22. Juni 1940 geschlossene Waffenstillstandsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich. In Artikel 19, § 2 des Vertrags hatte Frankreich sich dazu verpflichtet, jeden von der deutschen Regierung namentlich genannten Deutschen auszuliefern. Damit war Frankreich, auch der unbesetzt gebliebene Teil im Süden, für die Flüchtlinge aus Deutschland zur Falle geworden.
Der Journalist Varian Fry wurde im Auftrag der Organisiation nach Frankreich entsandt, um vor Ort die Hilfe für die Flüchtlinge zu organisieren. Ausgestattet mit Namenslisten, begann Fry im August 1940 in Marseille mit dem Aufbau des Centre Américain de Secours (CAS). In der französischen Außenstelle des ERC waren zeitweilig bis zu 15 Mitarbeiter tätig, darunter auch der Schriftsteller Hans Sahl, der selbst auch einer der Klienten des ERC war.
Das ERC/CAS organisierte finanzielle Hilfen für Flüchtlinge, half beim Zusammentragen der Papiere für die weitere Flucht und arbeitete eng mit anderen Hilfsorganisationen zusammen, beispielsweise mit Unitariern, HICEM, der International Relief Association und der American Guild for German Cultural Freedom. Unter dem Deckmantel dieser Tätigkeit arbeitete das CAS auch mit illegalen Methoden: Flüchtlinge wurden beispielsweise mit gefälschten Papieren versorgt oder zu Fuß über die Pyrenäen nach Spanien geführt.
Diese illegale Arbeit des ERC/CAS war der französischen Polizei nicht unbekannt geblieben, und nach einer kurzzeitigen Inhaftierung wurde Varian Fry im September 1941 aus Frankreich ausgewiesen. Durch finanzielle und personelle Schwierigkeiten stark in seinen Möglichkeiten eingeschränkt, arbeitete das CAS weiter, bis es am 2. Juni 1942 von den französischen Behörden geschlossen wurde. Es lässt sich nicht genau sagen, wie vielen Menschen das ERC/CAS – mit legalen oder illegalen Mitteln – zur Flucht verholfen hat. Man geht heute von 1.800 Fällen aus. Sie umfassen mit Partnern und Familien vermutlich um die 4.000 Personen.
Das ERC schloss sich Anfang 1942 mit der International Relief Association zum International Rescue and Relief Committee zusammen. Als International Rescue Committee existiert die Hilfsorganisation noch heute.
Weiterführende Literatur:
Fry, Varian: Auslieferung auf Verlangen. Die Rettung deutscher Emigranten in Marseille 1940/41, München: Hanser 1986
Ohne zu zögern. Varian Fry: Berlin-Marseille-New York. Berlin: Aktives Museum 2007