Deutsche Architekten im türkischen Exil 1933 – 1945
Deutsche Architekten im türkischen Exil 1933 – 1945
Die Grundlagen für Berufschancen deutscher Architekten in der Türkei nach 1933 wurden bereits zuvor gelegt. Seit den frühen 1920er-Jahren befand sich das Land in großen Umbrüchen. Nach dem Ende des Osmanischen Reiches öffnete sich die Türkei unter dem Reformer Kemal Atatürk für die Moderne, auch in der Architektur. So reicht die Praxis der Anwerbung von deutschen Baumeistern an den Bosporus in dieses Jahrzehnt zurück. Nach 1933 war die Ausgangslage der Angeworbenen jedoch eine andere. Man emigrierte nun, anstatt zu reisen.
Eine Aufzählung von Namen wie Bruno Taut, Wilhelm Schütte oder Robert Vorhoelzer vermag schlaglichtartig einige wenige repräsentative Personen dieses Bauens im Exil zu benennen. Im Kollektiv stehen die Genannten hier für eine Einflussnahme deutscher Architekten auf das Erscheinungsbild der Türkei, die näher betrachtet höchst differenziert verlief. Sie prägte Einzelprojekte, nicht zuletzt in der neuen Hauptstadt Ankara, ebenso wie städtebauliche Konzeptionen und die Architektenausbildung des Landes.
Konkret kam es beispielsweise zu prägenden Impulsen im Theaterbau oder bei Schul- und Universitätsbauten. So avancierte das von Bruno Taut entworfene Gebäude der Fakultät für Sprache, Geschichte und Geografie an der Hochschule in Ankara zu einem Symbol „für die Intellektualisierung der [türkischen] Nation“ (Dogramaci, Kulturtransfer und nationale Identität, 2008). Jedoch erhielten emigrierte Architekten nicht nur öffentliche Aufträge. Die kemalistische Elite des Landes ließ sich von ihnen private Villen in der Formensprache der westeuropäischen Avantgarde errichten. Die allgemeine Wertschätzung dieses Kulturtransfers, der sich auch aus deutschsprachigen Architekten aus Österreich und der Schweiz speiste, verlor erst in den 1940er-Jahren an Kraft, als es in der Türkei zu einer historisierenden Rückbesinnung kam. Bruno Taut besaß bei seinem Tod 1938 beispielsweise noch eine derart große Reputation, dass er ein Staatsbegräbnis erhielt.
Der Lebenslauf von Martin Wagner zeigt auf, dass trotz Anerkennung und großzügiger Entlohnung bei weitem nicht jeder deutsche Architekt in der türkischen Emigration heimisch wurde. Viele zogen, so auch Wagner, weiter in ein anderes Land oder remigrierten nach 1945. Der damalige Rechtsstatus dieser Exilanten aber lebt mit dem Begriff „haymatloz“ bis heute in der türkischen Sprache fort.
Weiterführende Literatur:
Nicolai, Bernd: Moderne und Exil. Deutschsprachige Architekten in der Türkei 1925 – 1955. Berlin: Verlag für Bauwesen 1998
Dogramaci, Burcu: Kulturtransfer und nationale Identität. Deutschsprachige Architekten, Stadtplaner und Bildhauer in der Türkei nach 1927. Berlin: Gebr. Mann 2008