Oskar Pastior: Minibücher
DLA Marbach, Nachlass Oskar Pastior, © Prof. Dr. Klaus Ramm

Mini-Bücher

Junges Museum

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

die nächsten Exponate, die hier versteigert werden sollen, stehen unter dem Motto "klein aber fein". Es handelt sich hierbei um vier Miniaturbücher von einem grandiosen Autor und Lyriker des 20. Jahrhunderts, Oskar Pastior.

Unter den besagten Exponaten befindet sich zunächst eine Davidoff-Schachtel – man beachte den schwarzen Hintergrund mit der im Kontrast stehenden silbernen Aufschrift –, die erste Manuskripte Oskar Pastiors beinhaltet. Wie einige der hier zu versteigernden Schriftstücke, handelt es sich um im Exil verfasste und über seine Lebensgeschichte erzählende Zeitdokumente.

Kommen wir nun zu unserem zweiten Exponat:

Ein kleines Büchlein im 3 x 5 cm Format gewährt dem Besitzer einen Einblick in bisher ungeahnte, in dieser Weise noch nie veröffentlichte Handzeichnungen unseres Oskar Pastiors.

Meine Damen und Herren, Sie sehen schon, wie wertvoll und einzigartig die hier zur Auktion stehenden Stücke sind. Sie sind zudem handlich und passen in jede kleine Handtasche. So können Sie auch von unterwegs und vor allem auf Reisen immer eine kleine Literaturbibliothek mit sich führen und in den Lesegenuss kommen.

Weiter geht es mit einer cremefarbenen Box mit der Aufschrift "Soap Box" von Jeremy Adler vom Gertraud Scholz Verlag. Literatur auf engstem Raum – in gefalteter Form finden sich zahlreiche Leporellos mit Gedichten für den Lyrikliebhaber. Sowohl lustige als auch ernstere Gedichte zeugen von Oskar Pastiors Leben, das einerseits von Angst, Wut und Misstrauen geprägt war, andererseits aber auch seine humorige Seite vor Augen führt, die er sich trotz dieser schweren Zeiten und des unheimlichen Drucks, der auf ihm lastete, beibehalten hat.

Über das vierte Exemplar ist bis heute nur sehr wenig bekannt. Von außen ganz schlicht gehalten und unscheinbar, ein kleines weißes Büchlein, ohne Titel. Darin enthalten sind zahlreiche Liebesgedichte, die an einen Jan P. adressiert sind. Die Aufzeichnungen, die neben den Gedichten auch Tagebucheinträge und Briefe enthalten, wurden über einen Zeitraum von sieben Jahren verfasst. Nach heutiger Erkenntnis vermutet man, dass Oskar Pastior eine geheime Beziehung mit einem Freund führte, bislang ist sein Name aber noch unbekannt. Vielleicht handelt es sich um den eben erwähnten Jan P. Fest steht, dass es sich bei diesem weißen Büchlein um ein sehr privates Buch handelt, dass Oskar Pastior von einer ganz neuen Seite zeigt. Er beschreibt seine Gefühle, seine innere Zerrissenheit und berichtet über den Druck, den er nicht mehr länger aushalten wollte. Dieses Buch gibt Einblicke in die Person Oskar Pastior.

Für seine vier literarischen Kleinode hat sich Oskar Pastior noch eine außergewöhnliche Schatztruhe ausgedacht: Die Schachtel eines Filterzigarettenstopfgerätes, auf die er handschriftlich "Mini-Bücher" geschrieben hat. Auch hierbei ist auffällig, dass Pastior eine Verbindung zu seinen Werken gesucht hat. Sowohl die Aufbewahrungsschachtel als auch das erste vorgestellte Mini-Buch tragen die Aufschrift "King Size". Ganz sicher handelt es sich dabei um keinen Zufall.

Warum ausgerechnet eine Schachtel mit einem Filterstopfgerät? Das Rauchen war, wie er einst selbst sagte, der einzige Luxus, den er sich gönnte, und zugleich sein einziges wirkliches Laster.

Vier Exponate, die alles beinhalten. Von einem Prosatext über Zeichnungen, lyrische Kompositionen, bis hin zu ganz privaten Briefen und Gedichten.

Vier Exponate, die einem ein umfassendes Bild über die Werke und den Autor selbst vermitteln.

Vier Exponate, die ein Genuss für jeden Literaturliebhaber sind.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

von Anna-Lena Wirsching und Mae Pfeiffer