Kinder und Jugendliche im Exil

Fotografie: Gruppe geflüchteter Kinder
Eine Gruppe geflüchteter jüdischer Kinder aus Europa an Deck der „SS President Harding“, im Hintergrund die Skyline von New York, Juni 1939
United States Holocaust Memorial Museum, #22111, courtesy of National Archives and Records Administration, College Park

Kinder und Jugendliche im Exil

Ihr aber, hier geborene, hier aufgewachsene Kinder, […] werdet ihr hier in diesem Volk, das euch seine Schulen geöffnet, seine Sprache gelehrt […] hat, bald aus Gästen zu Einheimischen werden?

Anna Seghers in ihrem Essay Frauen und Kinder in der Emigration, vermutlich um 1938


Nach einer Statistik des UNHCR waren im Jahr 2020 von den rund 82 Millionen Menschen, die weltweit ihr Herkunftsland verlassen haben, etwa 35 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Für die Zeit des Nationalsozialismus liegen nur Schätzungen vor. Diese belaufen sich auf etwa 30.000 Kinder und Jugendliche, die zwischen 1933 und 1939 aus Deutschland und Österreich ins Exil flüchteten. Die tatsächliche Anzahl liegt wohl höher.

War eine Flucht gemeinsam mit der Familie nicht möglich, organisierten oft spezielle Rettungsprogramme und Hilfsorganisationen die Ausreise und die Aufnahme im Zufluchtsland. Dazu gehörten beispielsweise die Kindertransporte unter anderem nach Großbritannien, die Kinder- und Jugendaliyah nach Palästina oder Hilfsorganisationen wie das Œuvre de secours aux enfants (OSE) in Frankreich. Vor ihrer Flucht erlebten die Kinder und Jugendlichen oft Ausgrenzung und Gewalt, manchmal die Verhaftung oder die Ermordung eines Elternteils. Durch das Exil wurden sie aus ihrer gewohnten kulturellen und sprachlichen Umgebung gerissen und oft für immer von ihren Familien getrennt. Viele litten lebenslang an den Folgen dieser traumatischen Erfahrungen.

Das Thema Flucht von Kindern und Jugendlichen ist auf vielfältige Weise mit der Lebenssituation und dem Schaffen von Künstler*innen verbunden: Viele hatten Kinder, die mit ihnen flüchten mussten, etwa Bertolt Brecht und Helene Weigel, Paul Dessau, George Grosz, Iwan Heilbut, Manfred Henninger, Alfred Kerr, Jo Mihaly und Leonhard Steckel sowie Anna Seghers. Einige Schriftsteller*innen, beispielweise Irmgard Keun, Erika Mann, Hertha Pauli und Lisa Tetzner, griffen das Thema Exil von Kindern und Jugendlichen bereits während der Exilzeit in ihren Werken auf. Manche spätere Künstler*innen, die als Kinder die Erfahrung von Vertreibung und Flucht gemacht hatten, setzten sich, zum Teil noch Jahrzehnte nach dem Ende des Nationalsozialismus, in ihren Werken mit Themen wie Ausgrenzung und Verfolgung, Heimat und Exil, Sprachverlust und Sprachwechsel auseinander, so etwa Judith Kerr, Helga Michie, Roberto Schopflocher, Silvia Tennenbaum und Stefanie Zweig.

Weiterführende Literatur:
Literarische Werke:
Irmgard Keun: Kinder aller Länder (1938)
Judith Kerr: Als Hitler das rosa Kaninchen stahl (1973, orig. When Hitler stole pink rabbit, 1971)
Lisa Tetzner: Erwin kommt nach Schweden (1944, Erstausgabe Schweden 1941)

Sekundärliteratur:
Gesine Bey (Hg.): Kinder im Exil / Children in Exile. Berlin: Akademie der Künste 2018
Sylvia Asmus/Jessica Beebone (Hg.): Kinderemigration aus Frankfurt. Geschichten der Rettung, des Verlusts und der Erinnerung. Göttingen: Wallstein 2021.

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