Gründe und Anlässe für das Exil
3 Fragen: 1) Kann ich in Deutschland noch schreiben, wozu es mich treibt? 2) Kann ich in D. leben ohne denen in [den] Rücken zu fallen, die das nicht mehr können, moral[isch] genommen? 3) Kann ich mich in D. ernähren?
Arnold Zweig am 18. März 1933 in seinem Taschenkalender
Die Gründe, ins Exil zu gehen, sind je nach Einzelschicksal unterschiedlich, können aber in der Regel mit Unfreiheit und Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung und Verfolgung durch staatliche Macht in Verbindung gebracht werden. Die meisten Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, werden politisch verfolgt oder befinden sich sogar in unmittelbarer Lebensgefahr durch ein Regime. Anderen werden durch politische Maßnahmen die Möglichkeiten genommen, ihren Beruf auszuüben, beispielsweise auf Grund von rassistischer Diskriminierung. Darüber hinaus gibt es eine große Anzahl von Flüchtlingen, die durch kriegerische Auseinandersetzungen und Hunger aus ihrem Land vertrieben werden. Über 15 Millionen Menschen gelten heute nach völkerrechtlicher Definition als Flüchtlinge.
Auch Künstler trifft das Schicksal von Flucht und Migration: Kunst setzt sich häufig kritisch mit den Mächtigen und den Lebensbedingungen in einer Gesellschaft auseinander. Das macht Künstler in diktatorischen Ländern zur Zielscheibe staatlicher Unterdrückung. Andere verlassen ihr Land, um ihre eigene Form der Kunst verwirklichen zu können, die unter den politischen Bedingungen im Heimatland kein Publikum findet. Auf der Suche nach Meinungsfreiheit und Möglichkeiten freier künstlerischer Entfaltung kommen viele Künstler heute auch nach Deutschland, nachdem im 20. Jahrhundert und insbesondere unter dem nationalsozialistischen Regime ein beispielloser Exodus von Künstlern und Intellektuellen aus Deutschland erzwungen worden war.
Die Nationalsozialisten begannen unmittelbar nach der Machtübernahme 1933 damit, staatliche Kulturbetriebe wie Museen, Opern und Theater, aber auch Bildungseinrichtungen wie Universitäten und Kunstakademien zentral zu steuern. Künstlerische Produktionen wurden zensiert, modernes und avantgardistisches Kunstschaffen wurde als „entartet“ verurteilt, missliebige Personen wurden aus ihren Ämtern und Berufen herausgedrängt. Bereits im Frühjahr 1933 organisierten die Nationalsozialisten in vielen Städten Bücherverbrennungen mit Werken von Schriftstellern, die das Regime aus rassistischen, politischen oder ästhetischen Gründen verachtete und vertrieb. Die Gestapo verfolgte politische Künstler, die Sozialdemokraten oder Kommunisten nahe standen. Zahlreiche dieser Künstler und Mitglieder beider Parteien verließen als erste das Land.
Jüdische Künstler drängte das nationalsozialistische Regime durch diskriminierende Rassegesetze aus dem öffentlichen Leben und beraubte sie nach und nach ihrer Rechte. Die Nationalsozialisten sprachen Juden grundsätzlich die Fähigkeit ab, Kunst schaffen zu können. Viele Juden emigrierten vor allem ab 1938, nach den Novemberpogromen, aus dem Deutschen Reich – für viele war es die letzte Möglichkeit, sich durch die Flucht zu retten.
Auch die Staatsführung der DDR schränkte Künstler in ihrer Kunstfreiheit ein: Es bestand dort zwar keine unmittelbare Lebensgefahr für diejenigen, die sich der staatlichen Lenkung der Kunst widersetzten. Jedoch verhaftete die Stasi kritische Künstler, oder Staatsbehörden entzogen ihnen die Arbeitsmöglichkeit etwa durch Ausschluss aus den Künstlerverbänden, durch Zensur und Berufsverbot. Vor dem Bau der Mauer 1961 verließen mit vielen anderen Ausreisenden auch Künstler die DDR in Richtung Bundesrepublik Deutschland, da es mit der Befestigung der Grenze schwieriger wurde, das Land zu verlassen. Andere wurden als missliebige Künstler ausgebürgert, obwohl sie die DDR gar nicht verlassen wollten.