Exil als Thema künstlerischer Arbeit
Exil als Thema künstlerischer Arbeit
Das Buch wird, in einer möglichst dramatischen, abwechslungsreichen Form, von den Schicksalen vieler – teils berühmter, teils unbekannter – Exilierter berichten. Es soll, ausser unserem Text, auch Dokumente von den „Helden“ des Buches selber enthalten; mit „Dokumenten“ meine ich: Tagebuch-Notizen, oder Briefe an uns, oder kurze Autobiographien.
Klaus Mann, Brief an Heinrich Mann, 26. März 1938
Das Exil aus dem Machtbereich des Nationalsozialismus versetzte ab 1933 Künstler aller Sparten in die Situation eines erzwungenen Neuanfangs, und der kreative Umgang mit diesem Neuanfang fiel sehr unterschiedlich aus. Wer sich dem Exil auch als Gegenstand künstlerischer Reflektion stellen konnte, nahm vielleicht die Kraftanstrengung auf sich, die Strapazen von Flucht, Internierung und Exil auch intellektuell zu durchdringen und diese vielleicht auch politisch zu kommentieren. Viele Künstler formulierten heftige Kritik am Unrechtsregime, das sie in die Emigration zwang. Die künstlerische Selbstbehauptung im Ausland geschah nicht selten aus der Warte von Zeugen und Mahnern, häufig engagierten sich Künstler im Exil auch direkt im Widerstand gegen das nationalsozialistische Deutschland. Andere zogen sich in den privaten Raum zurück. Nicht alle Künstler, die ins Exil gezwungen waren, politisierten sich notwendigerweise. Wer vor der Flucht unpolitischer Künstler war, blieb es vielleicht auch im Aufnahmeland. Wieder andere „glaubten weiterhin an den Mythos von Deutschland als dem ‚Land der Dichter und Denker‘ und vertraten demzufolge die These, daß eine gute Kunst stets die beste Politik sei“, wie Jost Hermand es zusammenfasst (Kultur in finsteren Zeiten, S. 213).
Für diejenigen Künstler, denen das Exil zum Ausgangspunkt kreativer Arbeit wurde, stellten sich vielfältige Fragen: Welche Themen und Formen wählten sie, wer war ihr Publikum – und welche Impulse gab ihnen die neue Umgebung? Die überwiegende Zahl der Künstler, die ab 1933 ins Exil gingen, wählten Metropolen als neue Aufenthaltsorte. Sie nahmen ihre neuen Zufluchtsorte zum Anlass, sich diesen künstlerisch zu nähern, oft aus kritischer Distanz, oft „in der Irre“, wie Theodor W. Adorno einmal über das Leben von Intellektuellen in der Emigration sagte.
Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Aufnahmeland wurden häufig genauso zum Thema künstlerischer Arbeit wie die Ursachen des Exils im Herkunftsland. Nach 1933 entstanden Werke, die sich intensiv mit der Lage in Deutschland auseinandersetzten, Utopien entwarfen und ab 1939 auch auf den Krieg reagierten. Das engagierte Eintreten für ein „anderes Deutschland“, das unter diesem Begriff gleichwohl keine klare Zielrichtung hatte, verband viele Künstler und Kulturschaffende im Exil.
Auswirkungen des Exils lassen sich in der Regel bereits an der Editions- oder Aufführungsgeschichte oder an den Ausstellungsorten bildender Künstler ablesen, die in vielen Fällen auf Netzwerke und gemeinsame Initiativen in den Exilländern zurückgehen. Im Bereich der Literatur war und ist es eine zentrale Frage, ob man in der Sprache des Herkunftslandes veröffentlicht oder in der Sprache des Gastlandes: Richtet man sich an das angestammte Publikum in einem Land, das man verlassen musste, an die Exilgemeinde oder versucht man, in neuer Umgebung eine neue Zielgruppe anzusprechen? Das Band zwischen Künstlern und Publikum muss stets neu geknüpft werden, was oft nur auf Umwegen oder gar nicht gelingt, und die Rezeption im Heimatland ist oft auf Jahre hinaus ganz abgeschnitten. Wie wirkt sich das auf die Inhalte der Kunstproduktion selbst aus?
Veränderte Arbeitsbedingungen nach einer Emigration machen es auch heute vielen Künstlern schwer, ihren Beruf in der gewohnten Weise auszuüben. Die erzwungene Ausreise gerät in einigen Fällen aber auch zum Impuls für die künstlerische Laufbahn, wenn es geeignete Bedingungen im Aufnahmeland gibt, also Publikationsmöglichkeiten, Stipendien, Kunstpreise und ein neugieriges Publikum.