Sonderausstellung: Max Beckmann

Max Beckmann – Exil in Paris und Amsterdam

Gemälde: Max Beckmann, Les Artistes mit Gemüse
Max Beckmann: Les Artistes mit Gemüse, 1943
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Fotoabteilung, Mildred Lane Kemper Art Museum, Washington University Saint Louis
Sonderausstellung: Max Beckmann

Max Beckmann – Exil in Paris und Amsterdam

Die zehn Jahre, die der Maler zum größten Teil in Amsterdam verbracht hat, machen in seinem Leben und Schaffen eine eigene, wichtige Epoche aus. Ihr unmittelbar voraus liegen fünf Jahre in Berlin. Sie schlossen an die Frankfurter Jahre von 1916 bis 1932 an, die für Beckmann mit dem bitteren Erlebnis der Ächtung als „entarteter“ Künstler und der Entlassung aus dem Lehramt endeten.

Max Beckmann war schon vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten Angriffen von deren Seite ausgesetzt, Angriffen, die sich nach dem 30. Januar 1933 noch steigerten.

Am 18. Juli 1937 Juli eröffnete Hitler die Große Deutsche Kunstausstellung im eben fertiggestellten Haus der Deutschen Kunst zu München. Max Beckmann und seine Frau Quappi sind bereits einen Tag vorher emigriert, wie der Künstler selbst in seiner Bilderliste mehrfach unterstrichen vermerkt hat: „Amsterdam 1937 / ab 17. Juli“ und daneben wohl später: „Emigré“.

Am 4. August schreibt Max Beckmann aus Amsterdam an Stephan Lackner, dass er am nächsten Tag ein neues Atelier zur Verfügung haben werde und erklärt außerdem: „ich will vorläufig erst einmal hier bleiben, vielleicht dann später Paris. Aber als Übergang ist Amsterdam nicht schlecht.“ Am 26. April 1939 berichtet der Maler an Lackner erleichtert, er habe seine carte d’ identité für Frankreich erhalten und teilt Valentin einige Tage später mit, sein endgültiger Umzug nach Paris stehe für den 1. August fest. Gleichwohl schreibt er am 1. Mai an I. B. Neumann: „Ich inter[e]ssire mich ja sehr pour l’ Amerique und werde eines Tages ja wohl doch da enden.“ Als am 1. September der Krieg ausbrach, befand er sich freilich in Holland, in der Falle.

Beckmanns war es gelungen, alle Möbel und Bilder rasch nach Amsterdam überführen zu lassen. So konnte der Maler begonnene Werke vollenden, andere in eine neue Fassung verändern. In Paris entstand außerdem eine eigene Gruppe von Bildern, gleich gar in den zehn Amsterdamer Jahren.

Über diese Zeit sind wir durch das Tagebuch des Künstlers, seine Briefe wie auch Berichte von Zeitgenossen recht gut unterrichtet. Beckmann hat in Amsterdam erstaunlich viele und bedeutende Werke geschaffen trotz zunehmend schwieriger Lebensumstände nach Ausbruch des Krieges am 1. September 1939 und der Besetzung Hollands durch die deutschen Truppen am 10. Mai 1940.

Von diesem Schaffen zeugen schließlich auch die erhaltenen Werke. Bilder des Widerstandes im einfachen Sinne finden sich darunter zum wenigsten. Max Beckmann war zu einer Weltanschauung gelangt, in der ungeachtet der Liebe zu den Menschen, der Natur und den einfachen Dingen doch der metaphysische Bereich von größter Bedeutung war. Gibt es ein Leben nach dem Tode? Gibt es Wiedergeburt in größeren Zeiträumen? Wer sind die Götter oder Dämonen, die mit uns spielen? Wie kann ich ein Selbst werden?

Weltabgewandt ist Max Beckmann trotz seiner philosophischen und religiösen Interessen keineswegs gewesen, und so hat er denn auch das Kriegsgeschehen in der Nähe wie in der Ferne und kleine wie große Nöte des Alltags im Tagebuch notiert, Streiks der Amsterdamer Betriebe, Besuche der wenigen Bekannten und Freunde, Essen und Trinken, zumal in den Bars, Spaziergänge und Stimmungen, die zwischen entschlossenem Lebenswillen und tiefer Depression schwankten. Politische Fragen werden im Tagebuch fast gar nicht berührt, höchstens allgemein, verschlüsselt oder als Stichworte. Das war nicht nur, aber auch eine Vorsichtsmaßnahme nach der Besetzung Hollands durch die Deutschen. Beckmann hatte bei dieser Gelegenheit seine früheren Tagebücher verbrannt…..

So lesen wir etwa: „Berlin - Rom - Tokyo“ (27. September 1940), „Krieg mit Rußland!!“ (22.Juni 1941), „Krieg Japan - Amerika!!  -  Die Flieger steigen  - „ (8. Dezember 1941), „Deutschland erklärt Amerika Krieg“ (11. Dezember 1941), „Großer Luftalarm, hörten 1000 Flieger nach Cologne fliegen. In der Nähe ging Bombe runter.“ (23. Mai 1942), „Nachmittag mit Q.[appi] zu Fuß nach Butter-bon und Kohlen  -  vergeblich.“ (1. Juni 1943), „Sah die Engländer (Flieger) vom Meer kommen in Riesenstreifen wie die gesträubten Haare des Zeus Jupiter.  -  Hörte Frankfurt alles kaputt. Traurig …“ (12. April 1944)

Immer wieder reflektiert er auch seine Situation: „Am Tage wollte ich mal wieder sterben vor Schwäche und Melancholie. (31. März 1943), „Viel Sorge und nerveux für 1944. Dunkel ist das Leben  -  ist der Tod. Schluß 1943.“ (31. Dezember 1943) Und doch: „Selbst eigene Cadaver-Knochen sollen uns nicht hindern, bis zum letzten Moment unseren Mann zu stehen, stolz und müde gegenüber der schwarzen Wand, die um uns gezogen.“ (10. Oktober 1943)

Endlich kam der Tag der Befreiung und mit ihm das Ende des Krieges auch für Max und Quappi Beckmann: „Um 10 Uhr erschien hier bei Lütjens ein holländisch meisje: ! FRIEDE !“, so im Tagebuch unter dem 4. Mai 1945, aber am 5. Mai heißt es: „Na  -  noch nicht ganz  - grüne Polizei [die Deutschen] fährt noch mit Maschinen-Gewehr herum, etc. Trotzdem große Friedensfeier mit Warnung von Eisenhower.  -  In der Stadt herumgelaufen, viel Besoffenheit.“ Die weiter bestehende Sorge um das tägliche Leben („Kohlen, Kohlen, Kohlen!!! Alles liegt an der Kohlennot.“ (21. Mai) verband sich aber nun mit der Sorge um die nötigen holländischen Papiere nicht als feindlicher Ausländer zu gelten und nach Deutschland abgeschoben zu werden. Erst im August 1946 werden diese Papiere ausgestellt. So ist denn im Frühjahr 1947 auch wieder eine Auslandsreise möglich gewesen, über Paris nach Nizza, und am 29. August ging es nach New York, dann weiter nach Saint-Louis, wo ein Lehrauftrag anzunehmen war.  

Blickt man auf die holländischen Emigranten-Jahre Max Beckmanns zurück, so erweist sich diesen Zeit durchaus als eigene Epoche. Es war im Leben Beckmanns eine Epoche zunehmender Not – von der Diffamierung durch die Nationalsozialisten als „entarteter“ Künstler über die Emigration, den Ausbruch des Weltkrieges, die Verweigerung des Visums für Amerika, die Besetzung Hollands, drohende Einberufungen zum Militärdienst, die reduzierten Verkäufe und völlig versiegten Ausstellungsmöglichkeiten bis zu den Schwierigkeiten, als Angehöriger der Besatzungsmacht im besetzten Lande zu leben und nach dem Kriege nicht ausgewiesen zu werden. Diese zunehmende Not hat in Verbindung mit Alter und Krankheit bei dem Maler zu starken Depressionen geführt. Gegen seine Ängste und Zweifel hat ihm aber hin und wieder ein Gedanke geholfen, der sich abgewandelt auch in seinem Werk bemerkbar macht: „Wenn man dies alles  -  den ganzen Krieg oder auch das ganze Leben nur als eine Scene im Teater der ›Unendlichkeit‹ auffasst, ist vieles leichter zu ertragen  - “ (12. September 1940)

Vor allem hat ihm dabei die Kunst geholfen. Trotz aller Schwierigkeiten ist in Amsterdam ein in jeder Hinsicht reiches Werk entstanden.

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