Max Beckmann: Ludwig Berger, Gemälde (1945)
Max Beckmann: Ludwig Berger, Gemälde (1945)
Ich war stolz darauf, dass Max Beckmann des öfteren zu mir in mein Amsterdamer Exil-Heim kam, da er sehr scheu und zurückgezogen ein Leben, das NUR seiner Arbeit diente, führte. Zu meinem großen Erstaunen kam er auch gelegentlich zu den Vorlesungen, die ich in meinen eigenen Räumen hielt, und ich sah ihn verschiedentlich, er saß ungefähr in der vierten, fünften Reihe, zeichnen und kritzeln, während ich vorlas. Ich dachte, eine meiner hübschen Schülerinnen habe möglicherweise sein Auge beschäftigt, aber weit gefehlt: Eines Abends, nach einer solchen Vorlesung kam er sich verabschiedend auf mich zu und sagte: „Berger, morgen oder übermorgen sollten Sie mal zu mir kommen, ich brauche Sie für Ihre Hände!“ Da ich ihn etwas fragend ansah, ergänzte er seinen Wunsch durch die Feststellung: „Alles Andere ist fertig!“ Ich hatte ihn schon öfters in seiner Wohnung besucht - Quappi, seine Gattin spielte zuweilen zweite Geige in meinem Haus-Streichquartett, ich spielte Cello - und nun nahm er mich gleich mit hinauf unters Dach in’s Atelier. Da saß ich riesengroß in einem so schönen braunen Anzug [in Wirklichkeit blaue Jacke mit weißen Streifen und ockerfarbene Hose], wie ich ihn nie hatte, vor einem hellblauen Cranach-Hintergrunde, und er gab mir eine Blume in die Hand. Dann malte er, eine knappe halbe Stunde, und ich hatte die schönsten Perlmutt-Hände, die man sich träumen konnte und hielt eine Lotos in der Hand. „Da haben Sie sich aber ein bißchen lustig gemacht, Meister…?“ meinte ich in Hinblick auf die Lotos. „Nee - nee“ sagte Beckmann, „so SIND Sie!“ […] Er hatte während meiner Vorlesungen zwei prachtvolle Bleistiftzeichnungen von mir gemacht, die eine ging aus meinem Besitz an das Berliner Schiller-Theater über, dessen Ehrenmitglied ich bin. […]
Ludwig Berger in einem Brief an Georg Syamken, Kunsthalle Bielefeld vom 17. Juni 1968
Ludwig Berger, Theater- und Filmregisseur sowie Schriftsteller, gehörte in Amsterdam zu Beckmanns kleinem Bekanntenkreis. Emigrant auch er.
Diese Erinnerungen, wie sie aus dem hier zitierten Brief an die Kunsthalle Bielefeld hervorgehen, sind in mehrfacher Hinsicht wichtig, geben Sie doch Einblick in das kulturelle Leben der Emigranten in Amsterdam und zeigen darüber hinaus, wie Max Beckmann bei manchen Bildnissen vorgegangen ist: Zeichnen nach dem Darzustellenden, weitgehende Arbeit am Gemälde unabhängig von ihm und schließlich doch noch Ergänzung unter Beteiligung des Porträtierten als Modell. Stephan Lackner und Erhard Göpel berichten dagegen, dass Beckmann ihre Bildnisse gänzlich gemalt habe ohne dass sie jemals dabei gewesen wären. Dem Text Bergers ist außerdem zu entnehmen, wie wichtig dem Maler neben dem Kopf die Hände gewesen sind. Das zeigen jeweils auch die Gemälde.
Weiterführende Literatur:
Lenz, Christian: Schön und schrecklich wie das Leben. Die Kunst Max Beckmanns 1937 bis 1945. In: Max Beckmann. Exil in Amsterdam. Ausstellungskatalog. Amsterdam / München: Hatje Canz 2007/2008, S. 33-107