Max Beckmann: Bildnis Erhard Göpel, Gemälde (1944)
Max Beckmann: Bildnis Erhard Göpel, Gemälde (1944)
Als mir Max Beckmann in Holland das fertige Porträt zeigte, an dem er zwei Monate gearbeitet hatte, zu dem ich aber nie Modell gesessen hatte, war ich tief erschreckt. […] Beckmann hatte die Züge, von denen er mich befreien wollte, überbetont, sodass sie mir sichtbar werden mussten. Ich überwand zwar die Schrecksekunde rasch und zeigte Bewunderung. Aber fertig geworden bin ich bis heute nicht mit dem Bild. […] Ich versuche, die Eigenschaften, die er mir vor Augen stellte, abzulegen und in das Bild hineinzupacken. Wie weit das gelingt, weiß ich nicht, da dieser Vorgang keine Zeugen verträgt.
Erhard Göpel, Max Beckmann. Katalog der Gemälde, 1976
Max Beckmann verkehrte im holländischen Exil mit nur wenigen so häufig wie mit Erhard Göpel, der damals im Haag lebte. Beide besuchten sich mehrfach. Göpel hatte nicht nur ein besonderes Verständnis für Beckmanns Kunst, wovon später noch zahlreiche Publikationen zeugen, darunter das Werkverzeichnis der Gemälde, sondern konnte aufgrund seiner offiziellen Stellung dem Künstler auch in schwierigen Situationen helfen. Er war Kurier für die Illustrationen der Apokalypse zwischen Amsterdam und Frankfurt und hat offenbar seinen Einfluss auch geltend gemacht, dass Beckmann schließlich nicht mehr zum Wehrdienst eingezogen wurde. So war es für diesen wohl selbstverständlich, dass er von Göpel - wie von manchem anderen seines kleinen Amsterdamer Kreises - ein Bildnis malte. Er studierte ihn mit einigen Zeichnungen zum Kopf und zu den Händen, bevor er an das große Gemälde in gestrecktem Hochformat ging. Der bald vierzigjährige Kunsthistoriker ist entsprechend seiner Körperlichkeit voluminös sitzend im blauen Anzug gegeben, in den Händen Lektüre und Brille, die ihn beide ebenso als Intellektuellen charakterisieren wie die hohe Stirn und der nachdenkliche Blick, obwohl die Partie um den Mund solchem Charakter zu widersprechen scheint.
Mit dem Gemälde hat Beckmann also besondere Eigentümlichkeiten von Erhard Göpel offenbart, die bereits zwischen beiden kritisch zur Sprache gekommen waren. Nun sah sich der Porträtierte im doppelten Sinne des Wortes getroffen. Worum es sich handelt, wird der nicht Eingeweihte kaum erraten.
Weiterführende Literatur:
Lenz, Christian: Schön und schrecklich wie das Leben. Die Kunst Max Beckmanns 1937 bis 1945. In: Max Beckmann. Exil in Amsterdam. Ausstellungskatalog. Amsterdam / München: Hatje Canz 2007/2008, S. 33-107