Sonderausstellung: Ludwig Meidner

Lebensbedingungen und Alltag im Exil

Récépissé: Arnold Schönberg
Récépissé für Arnold Schönberg, ausgestellt in Paris am 5. September 1933
Arnold Schönberg Center, Wien. © Belmont Music Publishers / Lawrence Schoenberg
Sonderausstellung: Ludwig Meidner

Lebensbedingungen und Alltag im Exil

Ich bin immer noch dabei, mir eine neue Existenz aufzubauen, und da es zum vierten Male in meinem Leben ist, so faellt es nicht immer ganz leicht.

Der Architekt Franz Hillinger, Mitarbeiter von Bruno Taut in der Türkei, in einem Brief aus Kanada an den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Ernst Reuter, 1951


Wer ins Exil geht, lässt viel zurück, vor allem, wenn es sich um eine schnelle Flucht handelt: Aus der Familie können oft nur direkte Angehörige wie Ehepartner und Kinder folgen, Hab und Gut und soziale Netzwerke bleiben zurück. Im Aufnahmeland ist der Alltag dann von Einreisebürokratie, Anpassungsschwierigkeiten, Geldsorgen und Sprachproblemen geprägt. Verunsicherung und Entwurzelung sind die Folge, da Lebensgewohnheiten abbrechen und der Neubeginn im Ungewissen liegt.

Hunderttausende Menschen, die zwischen 1933 und 1945 ins Exil gingen, hatten mit solchen Alltagsproblemen zu kämpfen, darunter geschätzte 10.000 Künstler und Wissenschaftler. Sie waren abgeschnitten von ihren gewachsenen beruflichen Kontakten und standen vor der Schwierigkeit, angemessene Arbeit zu finden. So war ein großer Teil der Exilanten auf finanzielle Unterstützung von Freunden und Bekannten, Wohltätern und Hilfsorganisationen angewiesen. In den Berichten von Exilanten ist immer wieder von der Unannehmlichkeit die Rede, Bekannte um Geld bitten zu müssen. Die Schriftstellerin Mascha Kaléko notiert im Oktober 1940 in ihrem Tagebuch in New York: „Wir sind ohne Geld. Ohne Freunde. Ohne Verbindungen. Ohne Hoffnung. Fahrgeld fehlt. Schuhe fehlen. Medizin für [den Sohn] Stephen fehlt. Schule wird ihn nicht halten, wenn wir nicht zahlen können. Verfluchtes Geld. Demütigend, keines zu haben. Oh, wie die ‚Freunde’ weichen, wie von Pestkranken.“ (zitiert nach Gisela Zoch-Westphal: Aus den sechs Leben der Mascha Kaléko, S. 117f.)

In einigen Fällen übernahmen die Ehefrauen von Emigranten einfache Arbeiten und schlecht bezahlte Stellen und sicherten mit ihrem Einkommen die Existenz der Familie, während ihre Ehemänner versuchten, ihre berufliche Laufbahn im Aufnahmeland in Gang zu bringen. Viele Frauen im Exil konnten in dieser Situation aber auch traditionelle Geschlechterrollen überwinden und hatten beruflichen Erfolg.

Nicht wenige der Ausgewanderten klagten über Einsamkeit, da soziale Anbindung und Freundschaften im Aufnahmeland zum Teil nur mühsam entstanden. Das gesellschaftliche Leben bestand für viele wiederum aus Kontakten zu anderen Exilanten. Auch reagierten die Gesellschaften in den Aufnahmeländern teilweise misstrauisch und ablehnend auf die Flüchtlinge. Probleme, die auch heute noch auf Exilanten und Flüchtlinge zutreffen, die ihre Heimatländer verlassen mussten. Vorurteile gegenüber Fremden und Ausländerfeindlichkeit erschweren häufig den Neubeginn in einer anderen Kultur.

In einigen Ländern trafen die Emigranten auf für sie günstige Bedingungen: Mancher Architekt konnte seine Karriere in den USA, in Palästina oder in der Türkei vorantreiben. Kommunistische Künstler fanden in Mexiko ein liberales und eine Zeit lang in der Sowjetunion ein politisch wohlwollendes Klima vor.

Für Ausreisende ab 1949 aus der DDR in die Bundesrepublik ließ sich der Alltag in vielen Bereichen leichter organisieren: Die Nachkriegsgesellschaft in der Bundesrepublik bot ihnen politische Meinungsfreiheit und die Möglichkeit zu wirtschaftlichem Erfolg, und das Sprachproblem stellte sich im geteilten Deutschland nicht. Über kulturelle Identität und Integration wird auch im Aufnahmeland Deutschland weiter öffentlich debattiert. Die Differenz aus mitgebrachter und vorgefundener Kultur lässt sich jedoch nicht durch politische Programme überwinden, sie ist eine existenzielle Erfahrung der Betroffenen.