Sonderausstellung: Ludwig Meidner

Großbritannien

Fotografie: Ellen Auerbach
Ellen Auerbach, London (Themse), britische Arbeiter am Ufer der Themse nahe der Tower Bridge, 1936
Akademie der Künste, Berlin, Kunstsammlung, Ellen Auerbach Nr. 4103, © VG-Bild-Kunst, Bonn 2015
Sonderausstellung: Ludwig Meidner

Großbritannien

Mit ungewollter Ironie wählte ich nun ein Land als meine Heimat, wo Pfeile nur beim Sport verwendet werden, das allen Weltanschauungen mißtraut, alle Ideologien verachtet, alle Utopien mit Skepsis betrachtet; ein Land, das in sein gemächliches Durcheinander verliebt ist [...] ein Land, wo streikende Arbeiter mit der Polizei Fußball spielen [...].

Arthur Koestler, Die Geheimschrift, 1954


Großbritannien genoss bis ins 20. Jahrhundert den Ruf eines liberalen Einwanderungs- und Asyllandes. Die britische Regierung schränkte die Einwanderungsmöglichkeiten bis 1920 jedoch stark ein. Die Maßnahmen galten hauptsächlich der Abschottung des heimischen Arbeitsmarktes. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verhielt sich die britische Regierung eher abwartend und machte dem nationalsozialistischen Deutschland international Zugeständnisse. Dementsprechend änderte sich die britische Asylpolitik zunächst nicht.

1938, nach der Annexion Österreichs und des Sudetenlandes und nach den gewaltsamen Übergriffen im Zuge des Novemberpogroms, nahm Großbritannien massenhaft Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei auf. Die Gesamtzahl der Exilanten von 1933 bis 1941 wird auf 50.000 bis 80.000 Menschen geschätzt, davon kamen mehr als zwei Drittel zwischen November 1938 und September 1939 ins Land. 

Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs setzten die britischen Behörden Ausländertribunale ein, die die „Loyalität“ von den in England lebenden Deutschen und Österreichern feststellen sollten. Nach der deutschen Besetzung der Benelux Länder 1940 wurden die Überprüfungen auf tausende deutschsprachige Flüchtlinge ausgedehnt. Viele von ihnen wurden in Internierungslagern, wie beispielsweise auf der Isle of Man untergebracht. Ein Teil der Internierten wurde nach Kanada oder Australien deportiert. Viele der Lager wurden im Laufe des Jahres 1940 bereits wieder aufgelöst und die Insassen entlassen. 

Für die Einwanderer war es schwierig, eine Arbeit zu finden, weil die Arbeitsplätze in vielen Berufen Briten vorbehalten waren. Da während der 1930er und 1940er Jahre verstärkt Hauspersonal gesucht wurde, konnten etwa 20.000 zumeist jüdische Frauen als Dienstmädchen im englischen Exil arbeiten. Eine Besonderheit stellt die Einwanderung von jüdischen Kindern nach Großbritannien dar. Etwa 10.000 Kinder wurden auf sogenannten Kindertransporten ohne ihre Eltern ins britische Exil geschickt – die meisten sahen ihre Eltern nie wieder. Viele andere Exilanten waren auf die Unterstützung von Hilfsorganisationen angewiesen, von denen sich zahlreiche in London gründeten. Um exilierte Künstler bei ihrer Arbeit zu unterstützen, gründeten sich zudem Verbände wie der Deutsche PEN-Club im Exil oder der Freie Deutsche Kulturbund, der unter anderem Bücher herausgab sowie Ausstellungen und Theatervorstellungen veranstaltete.

Weiterführende Literatur
Bollauf, Traude: Dienstmädchen-Emigration: die Flucht jüdischer Frauen aus Österreich und Deutschland nach England 1938/39, 2.,überarb. Aufl. Aufl., Wien: Lit-Verlag 2011 (Wiener Studien zur Zeitgeschichte 3)
Krohn, Claus-Dieter (Hg.): Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933 - 1945, Darmstadt: Primus-Verlag 1998
Krug, Hartmut: Kunst im Exil in Großbritannien: 1933 - 1945; Berlin: Frölich & Kaufmann 1986