Sonderausstellung: Ludwig Meidner

Ludwig Meidner - Frühwerk

Ludwig Meidner, 1904
Ludwig Meidner während seiner Zeit an der Akademie in Breslau, 1904
© Ludwig Meidner-Archiv, Jüdisches Museum der Stadt Frankfurt am Main
Sonderausstellung: Ludwig Meidner

Ludwig Meidner - Frühwerk

Zuerst rennt man blindlings und bestürzt auf unzähligen Nebenwegen dem blendenden Ziele zu.

Ludwig Meidner, Mein Leben, in: Lothar Brieger: Ludwig Meidner, Leipzig 1919


"… meine Eltern erlaubten nicht meine Sehnsucht zu erfüllen. Ich hatte schwere Kämpfe mit ihnen. Endlich kam ich 1903 auf die Breslauer Kunstschule. Da mußte ich zwei Jahre lang Töpfe, Totenschädel und ausgestopfte Vögel abzeichnen, mit schweißtropfender Pedanterie. Das quälte mich. Ich […] wurde auf eigene Faust ein Impressionist. Das war damals noch etwas ungeheuer Revolutionäres und ich eroberte und genoß das Neue im Sturmschritt. 1905 ging ich fast mittellos nach Berlin und zeichnete Modefiguren für Journale und nächstens malte ich mit Tempera Schaum und Geflimmer des Lampenlichts in meiner kleinen, windigen Stube. Ein Jahr später wehte mich der Großmut einer Verwandten nach Paris. Zuerst war ich sprachlos und offenen Maules verwirrt — dann stürzte ich mich kopfüber wie ein Berserker und Heide in den Taumel des Lebens und der Kunst. Ich malte ohne Aufhören feintonige Impressionen auf der Butte Montmartre. Das war wohl das Tiefste und Heiterste, das ich je erlebt […] Aber der Sommer 1907 brachte mich Berlin zurück und da tat sich eine grauenhafte Sackgasse auf und materielle und geistige Not ohnegleichen würgte und lähmte mich fünf lange Jahre."

Meidners künstlerische Lehr- und Wanderjahre weisen viele für Künstler seiner Generation typische Züge auf: der Widerstand der Eltern gegen den Künstlerberuf, die Rebellion gegen den Akademismus, der Studienaufenthalt in Paris und schließlich die Stilisierung des jungen Malers als Hungerleider, finden sich in zahlreichen Biografien deutscher Künstler jener Zeit. Auch wenn Meidners autobiografischer Abriss durchaus den Tatsachen entspricht, ist er doch aufschlussreich in Bezug auf den Habitus und die Selbstinszenierung als Künstler. Meidner betrieb in seinen – sehr zahlreichen – autobiografischen Texten sicherlich keine "Geschichtsfälschung". Trotzdem sollte man bei der kritischen Lektüre im Hinterkopf behalten, dass Meidners Auffassung von Künstlertum, dem Vorbild Vincent van Gogh folgend, ganz wesentlich von den Vorstellungen des unbeirrten Schöpfens aus dem eigenen Inneren und der Krisenhaftigkeit künstlerischer Existenz geprägt sind.

Weiterführende Literatur:
Horcher in die Zeit. Ludwig Meidner im Exil (Ausst. Kat. Museum Giersch der Goethe-Universität, Frankfurt am Main), München 2016.
Presler, Gerd/Riedel, Erik, Ludwig Meidner. Werkverzeichnis der Skizzenbücher / Catalogue Raisonné of His Sketchbooks, München 2013.
Heuberger, Georg (Hg.), Ludwig und Else Meidner (Ausst. Kat. Jüdisches Museum Frankfurt, Ben Uri Gallery, London), Frankfurt a. M. 2002.
Gerda Breuer und Ines Wagemann: Ludwig Meidner. Zeichner, Maler, Literat. 1884-1966. 2 Bde. (Ausst. Kat. Mathildenhöhe Darmstadt), Stuttgart 1991.
Thomas Grochowiak: Ludwig Meidner Recklinghausen 1966.

Galerie