Ludwig Meidner, Selbstporträt, 1912
Ludwig Meidner, Selbstporträt, 1912
"In einem Malkittel steckend, der, mit geronnener Farbe bedreckt, wie ein Panzer steif war, mit nimmersatter Palette gegürtet und fletschenden Pinseln, so stand ich, nicht wankend, die ganze Nacht und malte mich selbst vor dem grimassierenden Spiegel."
aus: Ludwig Meidner, Vision des apokalyptischen Sommers, in: Septemberschrei, Berlin 1920
Wie zahlreiche Berichte und Selbstzeugnisse aus Meidners Berliner Jahren, dem englischen Exil, aber auch aus der Zeit seiner Rückkehr nach Deutschland belegen, war Ludwig Meidner ein ausgesprochener Nachtmensch. Oftmals malte und zeichnete er die Nacht hindurch bis zum Morgengrauen. In diesem Selbstbildnis von 1912 sieht man deutlich die dramatische, schlaglichtartige Beleuchtung, die wohl von einer einzigen Glühbirne stammt. Im Gegensatz zu dem diffuseren Tageslicht erzeugt die gebündelte Beleuchtung theatralische Hell-Dunkel-Kontraste mit blitzenden Schlaglichtern und diffusen Schatten. Die Dramatik wird in diesem Selbstbildnis noch durch das rote Streiflicht gesteigert, das das Gesicht von unten beleuchtet. Dieses Rot, vielleicht der Widerschein des Feuers im Ofen, steigert den Ausdruck des Gesichts gemeinsam mit dem herausfordernden Blick und dem spöttischen Grinsen geradezu ins Koboldhafte.
Das Selbstporträt wurde 1937 in der Ausstellung "Entarte Kunst" als "Kostprobe von jüdischer Malerei und Plastik" an prominenter Stelle gezeigt.
Weiterführende Literatur:
Gerda Breuer und Ines Wagemann: Ludwig Meidner. Zeichner, Maler, Literat. 1884-1966. 2 Bde. (Ausstellungskatalog Mathildenhöhe Darmstadt), Stuttgart 1991.
Thomas Grochowiak: Ludwig Meidner Recklinghausen 1966.
Galerie
