Otto Nebel
Was die Fremdenüberwachung im Lande betrifft, so bestehen drei Prüfstellen, von denen jede einzelne Entscheide fällen kann. Die oberste ist die eidgenössische, die nächstfolgende die des Staates Bern, die dritte die der Stadt Bern. In das höchst verzwickte Herrschergetriebe dieser drei miteinander amtenden Behörden ist unser Geschick geraten. […] Die Stadt kann ablehnen, was der Staat erlaubt hat und umgekehrt. Auch die Eidgenossenschaft kann ablehnen, was der Staat Bern oder die Stadt Bern erlaubt haben usw. Die tollsten Möglichkeiten bleiben offen, wie man sieht.
Aufzeichnungen Otto Nebels über die Strukturen der Fremdenpolizei
Geboren | am 25. Dezember 1892 in Berlin, Deutschland |
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Gestorben | am 12. September 1973 in Bern, Schweiz |
Exil | Schweiz |
Beruf | Schriftsteller, Maler, Schauspieler |
Kurz nach der nationalsozialistischen Machtübernahme emigriert der Berliner Schriftsteller und Maler Otto Nebel gemeinsam mit seiner Frau Hilda Nebel am 15. Mai 1933 in die Schweiz nach Bern, wo er bis zu seinem Tod 1973 leben wird. Als Vertreter einer expressionistischen, infolge der verstörenden persönlichen Erfahrung im Ersten Weltkrieg dezidiert pazifistischen Wortkunst (wofür exemplarisch seine Antikriegssatire Zuginsfeld steht) und der abstrakten Malerei im Umfeld von Herwarth Waldens Sturm sah sich Nebel im Frühjahr 1933 akut gefährdet: „Kandinsky und Klee, mit denen ich durch den Sturm verbunden war, wurden am Bauhaus entlassen. Die Drohungen gegen die Neue Kunst trafen auch mich. […] Durch den neu-eingesetzten Hauswart wurden wir ständig beobachtet und bespitzelt. Wir fühlten uns nicht mehr sicher in unserer Wohnung.“ Wiewohl in der Schweiz keine Verhaftung und keine Gefahr für Leib und Leben mehr drohte, hing die mögliche Ausweisung jahrelang wie ein Damoklesschwert über Nebel. Wiederholt mussten Nebels die Schweiz zwischenzeitlich sogar für mehrere Wochen oder Monate verlassen. Der Künstler hangelte sich von einer jeweils nur wenige Monate gültigen Toleranz- und Aufenthaltsbewilligung zur nächsten und war wie das Gros der Exilanten in der Schweiz von einem strikten, durch den Schweizerischen Schriftsteller-Verein SSV gezielt geförderten und von der Eidgenössischen Fremdenpolizei kompromisslos umgesetzten Berufsausübungsverbot betroffen. Ausstellungen waren ihm (von einer Ausnahme 1935 in der Berner Kunsthalle abgesehen) untersagt, die schriftstellerische Tätigkeit beschränkte sich bis Kriegsende auf die Reflexion und Trost ermöglichende Introspektion im Tagebuch. 1957 erscheint Nebels im Exil verfasstes literarisches Hauptwerk, die Runen-Fuge Das Rad der Titanen.
Otto Nebels schriftstellerischer Nachlass liegt im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern. Die Otto Nebel-Stiftung ist Eigentümerin des bildnerischen Nachlasses Otto Nebel.
Ausgewählte Werke:
Zuginsfeld (Satire, 1920)
Unfeig (Runen-Fuge, 1919/1960)
Das Rad der Titanen (Runen-Fuge, 1957)
Weiterführende Literatur:
Braun, Bettina: „Gefrorene Zeit“. Das Exil und Exilwerk. In: Otto Nebel. Maler und Dichter. Hrsg. von Therese Bhattacharya-Stettler, Steffan Biffiger und Bettina Braun. Bielefeld/Berlin: Kerber Verlag 2012, S. 209–225.