Jo Mihaly(Elfriede Alice Kuhr)
Jo Mihaly(Elfriede Alice Kuhr)
Das mag überhaupt einen großen Teil meiner eigenen Zeit als Tippelschickse ausmachen, nämlich wirklich ein grenzenloses, ja ein brüderlich-schwesterliches Verhältnis zu denen, die so entsetzlich ohne einen Halt waren. Ich fühlte mich zu ihnen hingezogen und das, ich schwöre dir, das ist heute noch genau dasselbe!
Jo Mihaly, Michael Arpad und sein Kind, 1981
Geboren | am 25. April 1902 in Schneidemühl, Deutschland, heute Polen |
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Gestorben | am 29. März 1989 in Seeshaupt, Deutschland |
Exil | Schweiz |
Remigration | Bundesrepublik Deutschland |
Beruf | Tänzerin, Schriftstellerin |
Jo Mihaly: Diesen Namen verlieh eine vermutlich ungarische Roma-Familie der damals 10-jährigen Elfriede Alice Kuhr. Er bedeutet in Anspielung auf den Erzengel Michael auf Ungarisch so viel wie "guter Engel". Das war eine besondere Auszeichnung für das Mädchen Elfriede Alice; sie hatte sich nämlich in einem Beschwerdebrief an den Bürgermeister ihres Geburtsorts für die Interessen der Roma-Familie eingesetzt. Als eine von ihnen, eben als eine Grenzgängerin der Gesellschaft, fühlte sich Jo Mihaly zeitlebens, insbesondere in den Jahren des Exils. Als sie ihre Tanzkarriere begann, wählte sie daher auch den Namen der Roma als Künstlernamen.
Nach ihrem Schulabschluss 1916 absolvierte sie eine Ausbildung als Schwester im Kinder- und Säuglingsheim Schneidemühl. Als sie diese abgeschlossen hatte, entschied sie sich 1918 dazu, zunächst ohne festen Wohnsitz zu leben und mit ihrer Gitarre durch Deutschland zu wandern. 1920 zog sie nach Berlin, wo sie sich ihrer Ausbildung als Tänzerin widmete. Danach trat Mihaly zwischen 1923 und 1925 hauptsächlich auf Tourneen auf. Sie schloss sich der Wandertruppe von Otto Haas-Heye an und tingelte durch die Varietés und Zirkusse der Weimarer Republik. 1927 lernte sie während eines Engagements an der Berliner Volksbühne den jüdischen Schauspieler Leonard Steckel kennen.
Als dieser 1933 Deutschland verließ, begleitete sie ihn. Zuflucht fanden sie in Zürich. Hier erhielt ihr Mann ein Engagement am Schauspielhaus Zürich. Mihaly nahm sich derweil der Emigranten an. 1943 begründete sie mit ihren Mitstreitern die Kulturgemeinschaft der Emigranten in Zürich und beteiligte sich an der Neugründung des Schutzverbands Deutscher Schriftsteller in Zürich. In der Schweiz arbeitete sie unter anderem an dem Roman Hüter des Bruders und veröffentlichte Feuilletons und Artikel unter Pseudonymen. Im Oktober 1945 reiste sie nach Deutschland und engagierte sich für den kulturellen Wiederaufbau.
Auswahl wichtiger Werke:
Hüter des Bruders (Roman, 1942)
Wir verstummen nicht. Gedichte in der Fremde (Gedichte, 1945)
Die Steine (Roman, 1946)
Weihnachtserzählungen (Kurzgeschichten, 1970)
..da gibt’s ein Wiedersehen! Kriegstagebücher eines Mädchens. 1914-1918 (Autobiografie, 1982)
Weiterführende Literatur:
Hardt, Yvonne: Politische Körper. Ausdruckstanz. Choreographien des Protests und die Arbeiterkulturbewegung in der Weimarer Republik. Münster: Lit Verlag 2004
Schultz, Kristina: Die Schweiz und die literarischen Flüchtlinge (1933-1945). Bern: Akademie Verlag 2012
Stark, Niklaus: Jo Mihaly und die Würde des Menschen. Eine illustrierte Biographie. Basel: Porzio-Verlag 2011