Alfred Kerr(Alfred Kempner)
Im Februar 1933 die Warnung, man wollte ihm den Pass wegnehmen. Ich weiß nicht, wer ihn damals anrief. Irgendjemand von der Polizei. Er lag zur Zeit mit Grippe im Bett, aber meine Mutter hat ihm schnell einen Koffer gepackt, und er ist innerhalb von zwei Stunden über die Grenze in die Tschechoslowakei gefahren, noch mit hohem Fieber.
Judith Kerr in einer Rede über ihren Vater, Berlin, 7.Oktober 1990
Geboren | am 25. Dezember 1867 in Breslau (Ostpreußen), Deutsches Reich |
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Gestorben | am 12. Oktober 1948 in Hamburg, britische Besatzungszone |
Exil | Schweiz, Frankreich, Großbritannien (Vereinigtes Königreich) |
Beruf | Schriftsteller, Kritiker, Dramatiker |
Der Berliner Theaterkritiker und Schriftsteller Alfred Kerr hatte schon Jahre vor 1933 öffentlich vor der drohenden Gefahr des Nationalsozialismus gewarnt. Deshalb musste er bereits im Februar 1933 um sein Leben fürchten und aus Deutschland fliehen. Er war 65 Jahre alt, als er sich, im März 1933 aus Prag kommend, mit seiner Frau Julia und den Kindern Michael und Judith in der Schweiz traf und mit ihnen zusammen nach Frankreich emigrierte. Seit seiner Kindheit sprach er fließend Französisch, so konnte er bald eine Rubrik "Pariser Theater" in der Emigrantenzeitung Pariser Tageblatt betreuen und informierte hier die deutschsprachigen Leser über die französische Theaterszene.
Ab Januar 1936 lebte Kerr mit seiner Familie in London. Er schrieb politische Kommentare für die BBC, Aufrufe und Flugblätter. In Großbritannien war Kerr Gründungsmitglied des Freien Deutschen Kulturbunds und von 1939 bis 1947 Präsident des Deutschen PEN Club im Exil. Dass er sich in den englischen Zeitungen nicht mehr als Theaterkritiker durchsetzen konnte, erfüllte ihn mit Verbitterung. Von seinen literarischen Texten aus dem Exil erschienen zu Lebzeiten u.a. die Satiren Die Diktatur des Hausknechts 1934 in Brüssel und der Gedichtzyklus Melodien 1938 in Paris. In seinen späten Jahren beschäftigte er sich mit dem Judentum und der eigenen jüdischen Herkunft (Ein Jude spricht zu Juden). Er schrieb auch ein englisches Tagebuch und eine Reihe von Filmexposés. Im September 1948 reiste er zu einer Vortragsreise zum ersten Mal nach der Emigration wieder nach Deutschland. Hier erlitt er einen Schlaganfall und starb am 12. Oktober 1948 im British Military Hospital in Hamburg.
Auswahl wichtiger Werke:
Die Diktatur des Hausknechts (Polemiken, Satiren, 1934)
Melodien (Gedichte, 1938)
Die Welt im Licht (Gesammelte Kritiken und Polemiken, 1961)
Ich kam nach England. Ein Tagebuch aus dem Nachlaß (Aufzeichnungen, 1979)
Wo liegt Berlin? Brief aus der Reichshauptstadt 1895 – 1900 (Feuilletons, 1997)
Weiterführende Literatur:
Haarmann, Hermann / Siebenhaar, Klaus / Wölk, Thomas (Hg.): Alfred Kerr. Lesebuch zu Leben und Werk. Berlin: Argon Verlag 1987.