Gisèle Freund(Gisela Freund)

Fotografie: Gisèle Freund, Fotografin
Porträtfotografie von Gisèle Freund, aufgenommen von Adrienne Monnier, 1936
© bpk | IMEC, Fonds MCC | Adrienne Monnier

Gisèle Freund(Gisela Freund)

Die Ereignisse überschlugen sich. Am 10. Juni 1940 verließ die Regierung Paris. Drei Tage später fuhr ich am Tage vor dem Eintreffen der deutschen Truppen im Morgengrauen mit dem Fahrrad ab. Auf dem Gepäckträger hatte ich meinen kleinen Koffer festgebunden, den selben, mit dem ich sieben Jahre vorher in Paris angekommen war.

Gisèle Freund, Memoiren des Auges, 1977

Geborenam 19. Dezember 1908 in Schöneberg, Berlin, Deutschland
Gestorbenam 31. März 2000 in Paris, Frankreich
ExilFrankreich, Argentinien
BerufFotografin

Im Hause eines Kunstsammlers aufgewachsen, begann Gisèle Freund frühzeitig, sich für Fotografie zu interessieren. Die erste Kamera, die sie im Alter von 15 Jahren vom Vater bekam, legte den Grundstein für eine Karriere, die sie als Fotografin berühmt machte. Zunächst studierte sie jedoch ab 1931 Soziologie, u.a. bei Theodor W. Adorno. Auf Anraten ihres Mentors Norbert Elias, begann sie, eine fotohistorische Doktorarbeit zu schreiben (frz. Original 1935, dt. Photographie und bürgerliche Gesellschaft, 1968). Gleichzeitig setzte sie bereits im Studium ihr Interesse für Fotografie auch fotojournalistisch ein.

Als Jüdin, Antifaschistin und Mitglied des sozialistischen Studentenbundes war Freund seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland in mehrfacher Hinsicht gefährdet, sie floh Ende Mai 1933 nach Paris. Im Pariser Exil schloss sie Freundschaft mit der Buchhändlerin und Verlegerin Adrienne Monnier, deren Buchladen ein Treffpunkt der literarischen Avantgarde jener Jahre war und über die sie zahlreiche Schriftsteller kennenlernte. In diesem Umfeld schuf sie eine große Anzahl von Porträts, mit denen sie bekannt wurde, unter anderem von Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir, Walter Benjamin, James Joyce, André Malraux. Charakteristisch für ihre Arbeit war die Fortsetzung der Portraits in Serien über mehrere Jahre.

Der Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Frankreich zwang sie 1940 zur Flucht ins Departement Lot, von wo sie 1942 nach Argentinien emigrierte. In Südamerika lebte und arbeitete sie fortan in Argentinien, Chile und Mexiko und arbeitete an Bildreportagen, zu deren Veröffentlichung ihr auch die einflussreiche Fotoagentur Magnum verhalf. Erst 1953 verlegte sie ihren ständigen Wohnsitz wieder nach Paris. Sie kehrte nicht mehr dauerhaft nach Deutschland zurück. Gisèle Freunds Nachruhm bezieht sich auf ihr fotografisches Werk, das international in großen Ausstellungen gewürdigt wurde, aber auch auf ihre Arbeiten zur Geschichte und Theorie der Fotografie.

Weiterführende Literatur:
Frecot, Janos / Kostas, Gabriele (Hg.): Gisèle Freund. Fotografische Szenen und Porträts. Ausstellungskatalog Berlin. Berlin: Nicolai 2014
Braun-Ruiter, Marita (Hg.): Gisèle Freund. Berlin – Frankfurt – Paris. Fotografien 1929 – 1962. Ausstellungskatalog Berlin. Berlin: Jovis 1996
Neyer-Schoop, Irene (Hg.): Gisèle Freund: Gesichter der Sprache. Schriftsteller um Adrienne Monnier. Fotografien zwischen 1935 und 1940. Ausstellungskatalog Hannover. Stuttgart: Hatje Cantz 1996
Freund, Gisèle. Photographien. Mit autobiographischen Texten. München: Schirmer/Mosel 1985
Freund, Gisèle. Memoiren des Auges. Frankfurt am Main: S. Fischer 1977

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