Stefan Zweig rezensiert Thomas Manns Lotte in Weimar (1939)

Manuskript: Stefan Zweig, Rezension zu Lotte in Weimar
Stefan Zweig, Manuskript der Rezension zu Thomas Manns Roman Lotte in Weimar, 1939
Deutsches Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek, EB autograph 12

Stefan Zweig rezensiert Thomas Manns Lotte in Weimar (1939)

„In den Proportionen vollendet“

„Ein Meisterwerk“ lobt Schriftsteller Stefan Zweig in seiner Rezension den Roman seines Kollegen Thomas Mann. Dessen humoristischer Liebesroman Lotte in Weimar, der 1939 im Stockholmer Exilverlag Bermann-Fischer erschienen war, bewegt sich zwischen einer Verehrung für Goethe und einem gewissen Spott über ihn.

Thomas Mann hatte seit Herbst 1936 an dem Roman gearbeitet und eine Geschichte entworfen, in der Goethes Jugendliebe Lotte, um 44 Jahre gealtert, erneut nach Weimar kommt, um den prominenten Dichter zu treffen. Teil der verzweigten Handlung ist Goethes Nachdenken über Deutschland. So taucht Goethe als Repräsentant eines besseren Deutschland auf, wenn er sagt: „Sie meinen, sie sind Deutschland, aber ich bins […].“ Im Exil wird Manns Goethe-Roman damit zu einem wichtigen Bezugspunkt für die Frage nach einem „anderen Deutschland“.

Zweig betont in seiner Rezension den Stellenwert dieser Auseinandersetzung, wenn er schreibt: „Seien wir dankbar, dass wir dieses Buch heute schon empfangen durften, indessen die anderen in Deutschland, die innerlich noch im Deutschland Goethes verblieben sind, es erst als Kriegs- und Leidensentschädigung erhalten werden.“ In einer anderen Fassung ändert er „die anderen in Deutschland“ handschriftlich in „jene andern im tatsächlichen Exil“ und verwendet damit den Begriff des Exils in einem unerwarteten Zusammenhang.

Mit seiner Goethe-Beschäftigung bleibt Mann nicht der einzige. Auch viele andere Künstler setzten sich im Exil intensiv mit Goethe auseinander, so entstand auch ein Goethe-Buch von Emil Ludwig oder Theateraufführungen der Wiener Kleinkunstbühne Laterndl in London.

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