Stefan Zweig: Abschiedsbrief (1942)

Brief: Stefan Zweig
Abschiedsbrief von Stefan Zweig vom 22. Februar 1942
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Stefan Zweig: Abschiedsbrief (1942)

Ich grüße alle meine Freunde! Mögen sie die Morgenröte noch sehen nach der langen Nacht! Ich, allzu Ungeduldiger, gehe ihnen voraus.

Stefan Zweig, Abschiedsbrief, 22. Februar 1942


Nach fünf Jahren rastloser Exilexistenz in Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Südamerika nahm sich der Schriftsteller Stefan Zweig am 23. Februar 1942 in seinem Haus in Petrópolis bei Rio de Janeiro zusammen mit seiner Frau Lotte, die er 1939 geheiratet hatte, das Leben.

In den Tagen zuvor hatte Zweig seine Angelegenheiten geordnet, letzte Manuskripte versand und Anweisungen zu seinem Nachlass formuliert. Als er am Abend des 21. Februar mit seinem brasilianischen Verleger Abrahão Koogan auf der heimischen Veranda Schach spielte, waren einige seiner Abschiedsbriefe bereits unterwegs zu Verwandten und Freunden. In ihnen erklärte Zweig den Entschluss zum Suizid mit der geschwundenen Hoffnung auf ein rasches Kriegsende, seinem bereits fortgeschrittenen Alter sowie dem Verlust seiner alten Heimat Europa. „Um all dies zu ertragen, war ich einfach zu schwach“, schrieb er so etwa an seine erste Ehefrau Friderike, mit der er bis zum Ende in regelmäßigem Kontakt stand.

Der offizielle Abschiedsbrief, den Zweig auf seinem Schreibtisch hinterlassen hatte, war an das Stadtoberhaupt von Petrópolis adressiert. In ihm bedankte er sich für die Gastfreundschaft des Landes, das dem aus Salzburg geflohenen Schriftsteller ein dauerhaftes Visum erteilt hatte.

Stefan Zweig war ein „Mann ohne Zorn“, resümierte sein Freund und Kollege Franz Werfel in seiner Trauerrede. „Darum war er auch einer der ganz wenigen Pazifisten, die es gibt. Für ihn bedeutete der Krieg die irdische Hölle...“ (Franz Werfel, Rede zur Trauerfeier Stefan Zweigs in Los Angeles, 1942)

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