Martin Wagner: Brief an Ernst May (12. März 1937)
Martin Wagner: Brief an Ernst May (12. März 1937)
Darum muss ich hier in meinem wirklich paradiesischen Wartesaal I Klasse wohl noch etwas ausharren […].
Martin Wagner an Ernst May über sein Exil in der Türkei, 12. März 1937
Der Architekt Martin Wagner wurde 1933 von den Nationalsozialisten seines Amtes als Berliner Stadtbaurat enthoben. Sein Eintreten für das „Neue Bauen“ der Avantgarde stand in unvereinbarem Gegensatz zu Hitlers Architekturverständnis. Zudem war Wagner Sozialdemokrat. 1935 emigrierte er in die Türkei. Von dort aus korrespondierte er auf bemerkenswertem Briefpapier.
Als ob er zeigen wollte, dass er am Bosporus keineswegs angekommen, sondern vielmehr nur auf dem Sprung sei, druckte Wagner auf seine Briefbögen die Angabe: „zur Zeit: Istanbul“. In einem Schreiben auf solch einem Blatt führte er am 12. März 1937 sein Ringen zwischen Verweilen und Fortgehen genauer aus. Wagner arbeitete an der Istanbuler Kunstakademie als Professor für Städtebau. Außerdem beschäftigten ihn Stadt und Staat. Trotz dieser Aufgaben wurde er in seinem türkischen Exil nicht heimisch. Sein suchender Blick galt bald neuen beruflichen Chancen an anderem Ort.
Wagners Adressat war der nach Ostafrika emigrierte Frankfurter Architekt Ernst May. Ihm schilderte Wagner seine Unentschlossenheit. Grundsätzlich reizte diesen der Gedanke an ein Exil in den USA. Auch May schlug ihm vor, dorthin zu gehen. Doch Städtebau mit „Geist und Seele und Kultur“ glaubte Wagner in Amerika nicht verwirklichen zu können. Weil er aber nach solcher „Totalität“ strebte, blieb ihm fürs erste nur, abzuwarten. Für Wagner war dies eine Herausforderung, fühlte er sich doch voller Tatendrang als ein „‚Vulkan‘, mehr noch: Weltsprengstoff!“.