Programmzettel zu einem Orchester-Konzert des Kulturbunds Deutscher Juden, Bezirk Rhein-Main (1934)
Programmzettel zu einem Orchester-Konzert des Kulturbunds Deutscher Juden, Bezirk Rhein-Main (1934)
Wer an die Lebenskraft und den Idealismus der deutschen Juden glaubt, darf die Hoffnung hegen, daß das neugegründete Orchester als ein wichtiger Bestandteil unseres geistigen Seins erkannt und dementsprechend gefördert wird!
Der Musikjournalist Arthur Holde in den „Mitteilungen“ des Jüdischen Kulturbunds, Juli 1934
Im März 1934 wurde auch in Frankfurt am Main eine Ortsgruppe des Kulturbunds Deutscher Juden gegründet, unter deren Dach ein professionelles Symphonieorchester entstand. Der Dirigent Hans Wilhelm Steinberg, der zuvor aus dem Frankfurter Opernhaus entlassen worden war, leitete es. Am 28. Mai 1934 trat das Orchester zum ersten Mal auf. Es bestand aus 35 Musiker*innen, die aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums ihre Positionen in anderen Orchestern verloren hatten oder denen an einer Hochschule die weitere Ausbildung verwehrt worden war.
Der hier gezeigte Programmzettel vom zweiten Konzert am 9. Juli 1934 gibt einen Eindruck von der Programmgestaltung der Orchesterkonzerte, wie sie anfänglich angestrebt war: Klassische Werke wurden mit zeitgenössischen und mit Werken jüdischer Komponist*innen kombiniert, um ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Mit der zunehmenden Überwachung der Kulturbundarbeit durch die nationalsozialistischen Behörden wurde die Programmgestaltung jedoch immer schwieriger: Die Aufführung der Werke Mozarts etwa war dem Kulturbund ab Ende 1935 verboten.
Hans Wilhelm Steinberg warb aus dem Orchester des Frankfurter Kulturbunds mehrere Musiker*innen für das Palestine Orchestra in Tel Aviv an, an dessen Aufbau er beteiligt war. Unter anderem der Geiger Hans Bassermann, der Cellist Ari Schuyer und der Flötist Erich Toeplitz erhielten so die Möglichkeit, nach Palästina zu emigrieren. Der auf dem Programmzettel erwähnte Solist Ernst Drucker lehnte das angebotene Engagement in Palästina jedoch ab und emigrierte in die USA.
Weiterführende Literatur:
Frisch-Vivié, Gabriele: Gegen alle Widerstände. Der Jüdische Kulturbund 1933-1941. Fakten, Daten, Analysen, biographische Notizen und Erinnerungen. Berlin: Hentrich & Hentrich 2013
Stompor, Stephan: Jüdisches Musik- und Theaterleben unter dem NS-Staat. Hannover: Europäisches Zentrum für Jüdische Musik 2001