Fotografie von Anna Seghers in Mexiko-Stadt (um 1945)
Fotografie von Anna Seghers in Mexiko-Stadt (um 1945)
Ich steige jeden Morgen aufs Dach und arbeite dort und nachmittags schreibe ich einen Brief.
Anna Seghers an Kurt Kersten am 24. August 1944
Anna Seghers’ Zeit der Emigration in Mexiko begann am 30. Juni 1941 nach einer dreimonatigen Schiffsreise von Marseille über Casablanca, Martinique, die Dominikanische Republik, New York und Kuba. Die Abreise hatte sich verzögert, da in ihrem Pass der Name Netty Radvanyi stand, während im Visum der Schriftstellername Anna Seghers eingetragen war.
In den ersten zwei Jahren in Mexiko war das Geld oft knapp. Erst der Erfolg des Romans Das siebte Kreuz in den USA und in Mexiko brachte sichere Einnahmen. Ab 1943 bewohnte sie mit ihrer Familie das Haus in der Avenida Industria 215 in Mexiko-Stadt mit seiner geräumigen Terrasse. Sie reiste nach San Miguel und Guadalajara, und zu den „Eingeborenen-Urwalddörfern“ bei Manzanillo an der pazifischen Küste. Im Juni 1943 musste sie ihre Arbeit nach einem schweren Verkehrsunfall über Monate unterbrechen.
Am 9. Juli 1946 erhielt Anna Seghers die mexikanische Staatsbürgerschaft. Ein halbes Jahr später, am 7. Januar 1947, verließ sie Mexiko. Sie kehrte nicht wieder zurück, blieb dem Land aber in Dankbarkeit verbunden. Ihre Kontakte hatten sich nicht auf die Emigrantengemeinde beschränkt. Eng war sie mit Clara Porset und Xavier Guerrero verbunden, befreundet mit David Alfaro Siqueiros, Diego Riviera und Vicente Lombardo Toledano. Sie lernte auch eingewanderte deutsche Geschäftsleute kennen. 1947 schrieb sie ihnen aus Berlin: „Ich, die Netty, wünscht’ es schon, Sie würden sich einmal diese ganz verrückte Stadt ansehen. Wie Sie wissen, ist sie in vier Sektoren eingeteilt […]. Magda und ich bedauern immerfort, dass es keinen mexikanischen Sektor gibt.“ (Anna Seghers, Briefe 1924-1952, 2008)