Lili Schultz: Abschiedsbrief an die Studierenden der Kunsthochschule Burg Giebichenstein, Entwurf (undatiert, März 1958)

Brief: Lili Schultz, Abschiedsbrief Studierende 1958
Lili Schultz, handschriftlicher Entwurf des Abschiedsbriefes an die Studierenden der Kunsthochschule Burg Giebichenstein, undatiert, März 1958
Nürnberg, GNM, DKA, NL Schultz, Lili, I, A-10, mit freundlicher Genehmigung von Dr. Heinrich Ragaller

Lili Schultz: Abschiedsbrief an die Studierenden der Kunsthochschule Burg Giebichenstein, Entwurf (undatiert, März 1958)

Nachträgliches Lebewohl

Wenn jetzt meine Art zu schaffen als dekadent gilt und bei den Führungen Eure besten und kühnsten Arbeiten fortgeräumt werden, was soll ich da noch?

Lili Schultz im Abschiedsbrief an ihre Studierenden, März 1958


Bis zuletzt verschwieg Lili Schultz ihren Studierenden an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein ihre Fluchtpläne. So konnten diese nicht ahnen, dass eine Zusammenkunft im März 1958 die Abschiedsfeier ihrer Lehrerin sein würde. Schultz floh schweren Herzens heimlich. Erst aus Westdeutschland  thematisierte sie in einem Brief gegenüber ihrer zurückgebliebenen Schülerschaft ihren Weggang aus Halle.

Dieser Abschiedsbrief ist deutlich anders gehalten als das knappe Kündigungsschreiben an den Direktor der Schule. Schultz hinterließ ihren Schülern sehr persönliche Worte. Sie bat vor allem um Verzeihung, dass sie sie im Stich gelassen hatte. Zu ihrer Entschuldigung führte sie an, sie sei nicht bereit gewesen, sich „lahm machen“ zu lassen. Schultz meinte damit die immer stärkere Einflussnahme der DDR-Politik auf die Künste in den 1950er Jahren. Davon war auch die Wirkungsstätte der Professorin zunehmend durchdrungen.

Schultz ahnte in ihrem Brief die Enttäuschung über ihren plötzlichen Weggang bei ihren Studierenden bereits voraus. Tatsächlich erinnerte sich Irmtraud Ohme, später selbst Lehrerin für Email an der Burg Giebichenstein, im Rückblick an eine Atmosphäre  der Kränkung im Schülerkreis von Lili Schultz (Ohme, Lili Schultz zu Ehren, 1995). Denn so sehr Schultz auch in ihrem Brief Worte des Beistands anführte: Die Professorin konnte fortan nur noch schriftlich oder in Gedanken für ihre Studierenden in Halle da sein, auch wenn sie abschließend beteuerte: „Ich bin weiter bei Euch, […]. Mein Herz ist sehr bei Euch! Immer Eure Meisterin.“

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