Lili Schultz: Lebenslauf aus den ersten Tagen in der BRD (1958)

Lebenslauf: Lili Schultz
Lili Schultz, handschriftlicher Lebenslauf der Künstlerin, verfasst am 16. März 1958 in der BRD kurz nach der Flucht aus der DDR
Nürnberg, GNM, DKA, NL Schultz, Lili, I, B-1. Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Heinrich Ragaller

Lili Schultz: Lebenslauf aus den ersten Tagen in der BRD (1958)

Bilanz eines Künstlerlebens

Einen Tag nach dem Verlassen der Deutschen Demokratischen Republik ohne Pass via Westberlin traf Lili Schultz am 16. März 1958 in Düsseldorf ein. Noch am selben Tag verfasste sie an ihrem neuen Wirkungsort einen Lebenslauf. Auf zwei handschriftlichen Seiten entrollte sie ihre Vita bis zum einschneidenden Erlebnis ihres soeben vollzogenen Weggangs aus Halle.

Nach Sätzen zu ihrer Jugend wechselte sie ab den Einträgen zur Ausbildungszeit ins Stichpunktartige. Trotz der nunmehr gebotenen Kürze versäumte sie nicht, zumindest summarisch die Breite ihrer künstlerischen Ausbildung aufzuzeigen. Vor allem ihren durch Paul Thiersch gewonnenen Horizont strich Schultz heraus. Bei ihm hatte sie zunächst „Entwerfen aller Art“ gelernt und dies vom Holzschnitt bis zum Wandgemälde erprobt. Als Schülerin seiner Meisterklasse hatte sie ihre Kenntnisse im Emailhandwerk verfeinert. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Metallwerkstatt am Bauhaus in Weimar war Lili Schultz 1925 zur Leiterin der Emailklasse an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle an der Saale ernannt worden. Die Tatsache, dass Lili Schultz als ehemalige Bauhausschülerin in der Zeit des Nationalsozialismus durchgehend ihre Lehrtätigkeit dort beibehalten konnte, lässt aufmerken. Über ihre politische und künstlerische Anpassung an den Nationalsozialismus gibt dieser Lebenslauf keine Auskunft.

Dem Druck und der Bevormundung durch die Politik der DDR wollte die Professorin nicht mit Anpassung begegnen, mit ihrer Flucht im März 1958 zog sie einen Schlussstrich unter ihre Tätigkeit an der Kunsthochschule. Symbolisch findet sich dieser Schlussstrich auch in ihrem handschriftlichen Lebenslauf wieder. Zwar verwendete sie dafür noch ihr bisheriges Briefpapier aus Halle. Doch wies sie mit einem behänden Strich im Briefkopf ihre alte Wirkungsstätte als Teil der Vergangenheit aus.

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