Notizzettel mit resignierenden Gedanken von Lili Schultz über Bürokratismus (um 1958)
Notizzettel mit resignierenden Gedanken von Lili Schultz über Bürokratismus (um 1958)
Aber es wird jeder in diese Papiere hineingedemütigt, weil man nur den Papieren glaubt.
Lili Schultz, um 1958
Rund um ihre Flucht aus der Deutschen Demokratischen Republik im März 1958 sah sich Lili Schultz mit westdeutscher Amtsbürokratie konfrontiert. Schon vor ihrer Ausreise erwiesen sich die brieflichen Verhandlungen über einen Ruf nach Düsseldorf als kompliziert. Nach der Flucht kämpfte Schultz mit schriftlichen Eingaben um ihre Anerkennung als politischer Flüchtling. Ihre Frustration über solchen Papierkrieg schrieb sich die Künstlerin in einer Notiz von der Seele.
Papiere seien wohl einfach das wichtigste im Leben, wichtiger als „Herz+Liebe+Seele“, beklagte Schultz in ihrer Niederschrift. Sie habe in ihrem früheren Leben zumeist großzügig auf Dokumente „gepfiffen“, gestand sie ein. Tatsächlich vergaß Schultz beispielsweise bei ihrer Ausreise aus der DDR ihren Personalausweis. In ihrem neuen Lebensabschnitt in Westdeutschland vermochte sie diese sorglose Haltung nicht beizubehalten. Laut ihren Worten fühlte sie sich abhängig von amtlichen Papieren und in sie „hineingedemütigt“. Vor allem bei ihrem Anerkennungsverfahren als politischer Flüchtling mühte sich Schultz mit den Behörden ab. Entsprechende Schriftstücke bewahrte die Kunstprofessorin zeitlebens auf – ebenso wie die besagte Klage darüber.
Lili Schultz‘ Notiz trägt kein Datum. Trotzdem lässt sie sich in ihre Düsseldorfer Jahre nach der Flucht aus Halle verorten. Denn Schultz schloss sarkastisch, über ihren Kampf mit den Papieren könnte das Düsseldorfer Kabarett „Kom(m)ödchen“ herrlich ein Programm schreiben.