Lili Schultz: Dankesrede anlässlich einer Preisverleihung in Oldenburg, Manuskript (1957)
Lili Schultz: Dankesrede anlässlich einer Preisverleihung in Oldenburg, Manuskript (1957)
Denn wir gehen auf tausend Füssen und wir reden mit tausend verschiedenen Zungen.
Lili Schultz in ihrer Dankesrede 1957
Im Februar 1957 erhielt die Emailkünstlerin Lili Schultz eine für ihr Fach bedeutende Ehrung. In Oldenburg wurde der Professorin der Goldene Ehrenring der Deutschen Goldschmiedegesellschaft verliehen. Ihre Dankesrede gibt viel über ihr damaliges Kunstverständnis preis – und auch darüber, warum es für sie in der Deutschen Demokratischen Republik bald keine künstlerische Zukunft mehr gab.
Nach Dankesworten zu Beginn ihrer Rede brach Schultz zunächst eine Lanze für das Kunsthandwerk. Das handwerkliche Können eines Künstlers wollte die Emailexpertin in gleicher Weise wie die schöpferische Idee geschätzt sehen. Dann aber berührte sie eine andere ihr wichtige Thematik. Sie sprach über die Kunst ihrer Zeit: über gegenstandslose, über abstrakte und über gegenständliche Kunst. Und Schultz redete genau dieser Vielfalt das Wort. Sie sah sie als gewinnbringend an: „Alle diese Möglichkeiten zusammengenommen ergeben die Kunst unserer Zeit.“ (Hervorhebung im Original)
Schultz' Haltung war ein für sie heikler Standpunkt. Denn die Künstlerin lehrte als staatliche Professorin für Emailkunst in Halle an der Saale. Seit Anfang der 1950er-Jahre hatte die DDR-Führung ihr Kunstverständnis immer doktrinärer auf einen Sozialistischen Realismus verengt. Kunst sollte politischen Ideen dienen. Solchen Zwang für die Kunst verbat sich Lili Schultz nicht nur an jenem Februartag 1957 in ihrer Dankesrede vehement. Ein gutes Jahr nach ihren offenen Worten von Oldenburg flüchtete sie aus der DDR in den Westen.