Nelly Sachs: Brief an Selma Lagerlöf, 26. November 1938

Brief: Nelly Sachs an Selma Lagerlöf, 26. November 1938
Brief von Nelly Sachs an Selma Lagerlöf mit der Bitte um Unterstützung bei der Auswanderung nach Schweden, 26. November 1938
Kungliga Biblioteket Stockholm, © Nelly Sachs / Suhrkamp Verlag

Nelly Sachs: Brief an Selma Lagerlöf, 26. November 1938

Für die allergeringste Lebensmöglichkeit würde ich danken mit jeder Faser meines Daseins.

Nelly Sachs an Selma Lagerlöf, 26. November 1938


Zu ihrem 15. Geburtstag hatte die spätere Dichterin Nelly Sachs den Roman Gösta Berling der schwedischen Schriftstellerin Selma Lagerlöf geschenkt bekommen. Die Lektüre beeindruckte sie nachhaltig: Ihre erste eigene Veröffentlichung, Legenden und Erzählungen, die fünfzehn Jahre später erschien, ist noch erkennbar von der Prosa Lagerlöfs inspiriert. Sachs schickte das Buch 1921 an ihr bewundertes Vorbild und erhielt eine Postkarte zurück: „Herzlichen Dank für das schöne Buch! Hätte es selbst nicht besser tun können.“

Zwischen den beiden Frauen entspann sich in der Folgezeit ein Briefwechsel, der um ihre literarische Produktion kreiste. Erst unter dem Eindruck der Reichspogromnacht am 9. November 1938 äußerte  Sachs eine persönliche Bitte: Sie wollte Deutschland mit ihrer Mutter verlassen, doch für die nötigen Papiere brauchte sie Unterstützung aus dem Ausland. In dem Brief an die über 80-jährige Kollegin kommen ihre Verzweiflung und die tiefe Verehrung für die Adressatin deutlich zum Ausdruck. Zunächst erhielt sie keine Antwort. Dann sprach ihre Freundin Gudrun Dähnert im Juni 1939 persönlich bei der kranken Schriftstellerin vor und erhielt ein kurzes handschriftliches Empfehlungsschreiben.

Es dauerte fast noch ein weiteres Jahr, bis als alle nötigen Unterlagen beisammen waren. Nelly Sachs und ihre Mutter kamen im Mai 1940 in Stockholm an. Selma Lagerlöf war zwei Monate zuvor verstorben.

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