Joseph Roth: Die Kapuzinergruft, Erstausgabe des Romans (1938)

Buch: Joseph Roth, Die Kapuzinergruft
Erstausgabe (1938) des Romans Die Kapuzinergruft von Joseph Roth zum Durchblättern
Deutsches Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek, Exil-Literatur (Magazinbestand), EB 58/57

Joseph Roth: Die Kapuzinergruft, Erstausgabe des Romans (1938)

„Man braucht jetzt ein Visum für jedes Land extra!“ sagte mein Vetter Joseph Branco. „Zeit meines Lebens hab’ ich so was nicht gesehn. Jedes Jahr habe ich überall verkaufen können: in Böhmen, Mähren, Schlesien, Galizien“ und er zählte alle alten, verlorenen Kronländer auf. „Und jetzt ist alles verboten. Und dabei hab’ ich einen Paß. Mit Photographie.“

Joseph Roth, Die Kapuzinergruft, 1938


Im Roman Die Kapuzinergruft des Schriftstellers Joseph Roth wird das Ende der Donaumonarchie Österreich-Ungarn als selbstständiger Staat aus der Perspektive des Adeligen Franz Ferdinand Trotta geschildert. Dieser findet sich in der neuen Weltordnung nicht mehr zurecht und flüchtet sich in eine nostalgische Trauer um die „Alte Welt“. Der Untergang Österreich-Ungarns wird in dem Roman als melancholische Metapher für den Verlust von Heimat und Identität schlechthin genutzt. Die Kapuzinergruft knüpft thematisch an den 1932 veröffentlichten Erfolgsroman Der Radetzkymarsch an.

Von Heimatlosigkeit und Nostalgie war auch die Lebensphase von Roth geprägt, in der er diesen Roman schrieb. Im Pariser Exil fiel dem immer mehr von seiner Alkoholsucht und von Geldsorgen gezeichneten Schriftsteller, trotz Unterstützung durch Kollegen, wie Stefan Zweig oder Soma Morgenstern, die Arbeit zunehmend schwerer. Materialien und Texte, die für bestimmte Projekte gedacht waren, baute er aus Zeitmangel in andere Vorhaben ein. In Die Kapuzinergruft flossen etwa Textteile ein, die für ein Projekt mit dem Arbeitstitel Der Mann ohne Paß gedacht waren.

Die Kapuzinergruft wurde 1938 in dem holländischen Exil-Verlag De Gemeenschap veröffentlicht. Unter dem Eindruck des Einmarschs deutscher Truppen in Österreich hatte Roth seinen Roman mit einem aktuellen Schluss versehen: Trotta erfährt in dem Kapitel von der Annexion Österreichs. Der Schluss des Romans wurde am 23. April 1938 in der Exilzeitschrift Das Neue Tage-Buch unter dem Titel Der schwarze Freitag vorab veröffentlicht. Roth drängte den Verlag darauf, die Veröffentlichung einer anderen, bereits weit fortgeschrittenen Produktion vorzuziehen. Die finanzielle Belastung dieser doppelten Produktion ohne Einnahmen sowie die hohen Vorschüsse, die Roth erhielt, brachten den Verlag an die Grenze des Ruins.

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