Carl Rabus: Sonett aus dem Gefängnis (1943)

Brief: Carl Rabus: Sonett aus dem Gefängnis
Sonett aus dem Gefängnis: Vorderseite eines literarischen Briefes von Carl Rabus an seine Freundin Erna Adler, Wien, 1943
Carl Rabus Nachlass, Murnau, © Maurice Adler

Carl Rabus: Sonett aus dem Gefängnis (1943)

Mit eifrigen Fingern falte ich Dich orangenfarbene
Schachtel u. stelle Dich auf vor mir in langen
Reihen u. wohlgeordnet so wie man es mich
gelehrt.

Aus dem Sonett von Carl Rabus


Der Maler und Grafiker Carl Rabus lebte ab 1938 im Belgischen Exil. Seit 1940 wurde er jedoch von der Gestapo überwacht, die ihn schließlich – aufgrund seiner Beziehung zu der jüdischen Fotografin Erna Adler – wegen „Rassenschande“ verhaftete. Er wurde daraufhin nach Wien gebracht und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

Im „Grauen Haus“ entstanden neben Zeichnungen des Gefängnisalltags auch kurze literarische Texte, die er seinen Briefen beilegte. Hierzu gehört das vorliegende Sonett, wie Rabus es selbst benennt. Bei dieser Briefbeigabe fällt der ungewöhnliche Schreibuntergrund auf. Sieht man sich die Rückseite an, so erkennt man den Werbedruck des Kaffee-Ersatzmittels „Korona“. Rabus saß jedoch in einem Wiener Gefängnis, woher hatte er dieses Papier? Den Gefangenen wurden verschiedene Aufgaben übertragen, u.a. mussten sie die Tüten eben dieses Herstellers zusammenkleben. Rabus gelang es, einige Papiere für sich zu entnehmen, um sie als Zeichen- oder Schreibuntergrund zu nutzen.

Das Sonett beschreibt zunächst die genannte Tätigkeit und geht dann weiter zur Betrachtung des Papier und des Kaffee-Ersatzes. Durch die konkrete Auseinandersetzung, entspinnen sich zahlreiche Assoziationen, die den Leser/die Leserin in eine ferne Traumwelt entführen.

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