Erwin Piscator: Brief an Bertolt Brecht (Frühjahr 1949)
Erwin Piscator: Brief an Bertolt Brecht (Frühjahr 1949)
ich bin mir auch ganz im unklaren, oder besser gesagt, zu sehr im klaren, daß wenn unsere arbeit von dem richtigen erfolg gekrönt sein würde, kein rückreise visum nötig wäre.
Erwin Piscator in einen Brief an Bertolt Brecht, ca. 1949
Als Porzellanladen, dessen Dach über zwei Kontinente geht, bezeichnet der Theaterregisseur Erwin Piscator in diesen Brief an den Schriftsteller Bertolt Brecht sein Leben nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Herausforderung, sich zu einer Rückkehr nach Deutschland durchzuringen, vergleicht Piscator in dem Brief mit der Durchquerung des Ozeans, die selbst geübten Kanalschwimmern nicht immer gelang.
Als Brecht diesen Brief von Piscator erhielt, hatte er den ersten Schritt in Richtung Rückkehr nach Deutschland bereits unternommen. Im November 1947 ging er von den USA in die Schweiz, um von dort aus die Entwicklungen in Ost-Deutschland zu beobachten und eine etwaige Rückkehr vorzubereiten. Mit dem „Gesicht nach Deutschland“ hatte er die Jahre im Exil verbracht und das Ende des Nationalsozialismus abgewartet, um anschließend am politischen Wideraufbau Deutschlands mitwirken zu können. Nach dem Ende des Krieges reiste er zunächst nur für Verhandlungen mit Theatern und Verlegern 1948 nach Deutschland und bereitete seine Remigration behutsam vor. Ein ähnliches Vorgehen scheint er Piscator vorgeschlagen zu haben, denn er bezeichnet einen Besuch Brechts in der Schweiz in dem Brief als „vielversprechend“ und „wunderbar“.
Unterschiedliche politische Ansichten bewirkten aber verschiedene Entscheidungen bei der Rückkehr nach Deutschland. Piscator, der von 1931 bis 1936 in der Sowjetunion lebte und durch ernüchternde Erfahrungen mit dem Stalinismus kein Interesse mehr an der Realisierung der kommunistischen Idee in Deutschland hegte, begab sich 1951 nach West-Berlin. Brecht hingegen gründete in Ost-Berlin 1949 das Berliner Ensemble.